Hittfeld/Hamburg. Auf Umwegen: Lena Anochili startet neuerdings für den Hamburger SV und stellt schon Rekorde auf. Welche Ziele die 16-Jährige hat.

Entspannt liegt die junge Frau auf der blauen Turnmatte und erzählt von ihren nächsten Zielen. Vor wenigen Minuten hat sie einen Hamburger Jugendrekord im 60-Meter-Sprint aufgestellt, in einigen Stunden wird der Sieg mit der 4x200-Meter-Staffel folgen. Wir treffen Lena Anochili bei den norddeutschen Meisterschaften in der Hamburger Leichtathletikhalle an der Krochmannstraße. Sie trägt nicht nur Rothose, sie ist ganz in Rot gekleidet. Es ist die Farbe ihres neuen Vereins, die des Hamburger SV (HSV).

Offiziell zum 1. Januar 2024 hat sich die 16-Jährige aus Emmelndorf (Gemeinde Seevetal) den aufstrebenden HSV-Leichtathleten angeschlossen. Einige Monate länger trainiert sie schon in der gemischten U18- und U20-Trainingsgruppe mit. Ihr Haupttrainer ist der ehemalige Spitzen-Weitspringer Mario Kral, gleichzeitig Bundestrainer für den männlichen Weitsprung-Nachwuchs. Fünfmal pro Woche trainiert Anochili an der Krochmannstraße, im Sommer auf der Jahnkampfbahn im Stadtpark.

Lena Anochili: Wechsel vom TSV Eintracht Hittfeld zum Hamburger SV

Der Vereinswechsel hat Lena Anochili gutgetan – menschlich und leistungsmäßig. „Ich habe jetzt kürzere Wege und gutes Training“, sagt sie. Lenas Jugendverein ist der TSV Eintracht Hittfeld, ihre Trainerin war jahrelang Elida Bradel. Seit geraumer Zeit ist klar, dass eine junge Leistungssportlerin mit einem derartigen Potenzial Rahmenbedingungen benötigt, wie sie nur große Vereine bieten können.

Lena Anochili startet seit dem 1. Januar 2024 für den Hamburger SV.
Lena Anochili startet seit dem 1. Januar 2024 für den Hamburger SV. © HA | Markus Steinbrück

Aber wohin? Das war die Frage für die Jugendliche, die die elfte Klasse des Gymnasiums Hittfeld besucht. Als Kadermitglied im Niedersächsischen Leichtathletik-Verband (NLV) galt der Fokus von Familie Anochili seit Herbst 2022 zunächst Hannover. Vater Viktor fuhr sie fast an jedem Wochenende für zwei Trainingstage in die Landeshauptstadt, Lena gehörte zur Sprintgruppe unter Leitung von Maximilian Gilde.

Vater Viktor fuhr sie fast jedes Wochenende zum Training nach Hannover

Auch absolvierte sie am dortigen Lotto Sportinternat eine Probewoche, mit der Aufnahme wollte es aber nicht klappen. Das Startrecht blieb beim TSV Eintracht Hittfeld. Im vergangenen Sommer setzte die Sprinterin und Springerin weitere Glanzpunkte auf niedersächsischer, norddeutscher und deutscher Ebene. Highlight 2023 war die Bronzemedaille im Weitsprung bei den nationalen U18-Meisterschaften.

Bei der Weihnachtsfeier wurde Lena Anochili aus dem TSV Eintracht Hittfeld verabschiedet. Neben ihr die achtjährige Carina Ludwig und ihre langjährige Nachwuchstrainerin Elida Bradel (von links). 
Bei der Weihnachtsfeier wurde Lena Anochili aus dem TSV Eintracht Hittfeld verabschiedet. Neben ihr die achtjährige Carina Ludwig und ihre langjährige Nachwuchstrainerin Elida Bradel (von links).  © HA | TSV Eintracht Hittfeld

„Die ständigen Fahrten nach Hannover waren auf die Dauer anstrengend“, erzählt Lena Anochili. Da sie schonmal die Idee eines Wechsels zum HSV im Kopf gehabt hatte, absolvierte sie ein Probetraining und entschied sich für den Wechsel nach Hamburg.

Hittfeld verabschiedet Lena mit Blumen, Geschenk und guten Wünschen

Ihr alter Verein legte ihr keine Steine in den Weg, verabschiedete sie mit Blumen, einem kleinen Geschenk und allen guten Wünschen für die Zukunft. „In Hittfeld sind alle viel jünger als ich, beim HSV kann ich mit Gleichaltrigen trainieren. Es macht Spaß“, sagt die 16-Jährige.

Mehr zum Thema:

Der Aufwand ist weiter beachtlich. Fünfmal pro Woche – von Montag bis Freitag – fährt die Gymnasiastin nach Schulschluss von Hittfeld mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Training nach Winterhude. Das Training bei Mario Kral trägt Früchte, dafür muss man kein Experte sein. In dieser Hallensaison hat Lena Anochili den Hamburger Hallenrekord der U18 und U20 um fast zwei Zehntelsekunden verbessert.

Hamburger Jugendrekord über 60 Meter und beste deutsche Weitspringerin

Obwohl sie noch der Altersklasse U18 angehört, gewann sie bei den „Norddeutschen“ in Hamburg die Silbermedaille gegen bis zu zwei Jahre ältere U20-Konkurrenz. Anochilis neue Bestmarke steht bei 7,55 Sekunden! Dabei ist ihre (noch) bessere Disziplin der Weitsprung.

Siegerehrung nach dem 60-Meter-Endlauf der weiblichen U20-Jugend (von links): die Zweite Lena Anochili (HSV), Meisterin Philina Schwartz (SC Berlin) und die Dritte Emma Goretzka (LAC Berlin).
Siegerehrung nach dem 60-Meter-Endlauf der weiblichen U20-Jugend (von links): die Zweite Lena Anochili (HSV), Meisterin Philina Schwartz (SC Berlin) und die Dritte Emma Goretzka (LAC Berlin). © HA | Markus Steinbrück

Jüngst knackte sie mit einem Satz auf 6,04 Meter erstmals die Sechs-Meter-Marke und ist Deutschlands Nummer eins der Jahrgänge 2007 und 2008 – 20 Zentimeter vor der ersten Verfolgerin. Ein Weitsprung-Start in Hamburg passte jedoch nicht in den Zeitplan. „Lena hat gutes Gespür, gute Kraftwerte und schafft es, die hohe Anlaufgeschwindigkeit in die Grube zu bringen“, sind sich Trainer Mario Kral und Leistungssport-Koordinator Nils Lillie, geborener Winter, einig.

Olympiateilnehmer bringt Struktur in die Leichtathletik-Abteilung des HSV

„Ich versuche, Struktur in die HSV-Leichtathletik-Abteilung zu bringen. Damit Leistung nicht durch Zufall entsteht“, beschreibt Lillie seine Aufgabe. Als Nils Winter startete der heute 46-Jährige viele Jahre für den Buxtehuder SV, hat eine Weitsprung-Bestmarke von 8,21 Meter und nahm 2004 an den Olympischen Spielen in Athen teil.

Erst Niedersachsenmeister, jetzt norddeutscher Meister: Alexander Bai (MTV Hanstedt) gewann in Hamburg den Hochsprung der Männer mit 2,02 Meter.
Erst Niedersachsenmeister, jetzt norddeutscher Meister: Alexander Bai (MTV Hanstedt) gewann in Hamburg den Hochsprung der Männer mit 2,02 Meter. © HA | Markus Steinbrück

So weit denkt Lena Anochili noch nicht. Am Sonnabend und Sonntag, 24. und 25. Februar, startet sie zunächst bei den Deutschen Jugend-Hallen-Meisterschaften in Dortmund. Erfüllt hat sie die Normen über 60 und 200 Meter, im Weitsprung und mit der 4x200-Meter-Staffel. „Ich möchte meine Leistung verbessern und gern aufs Podest“, sagt die Hittfelderin.

Lena Anochili will Deutsche Meisterin werden und sich für die EM empfehlen

Für die Sommersaison 2024 hat sie sich nach bislang zwei DM-Bronzemedaillen vorgenommen, zum ersten Mal Deutsche Meisterin zu werden. Auch der erste internationale Einsatz ist nicht unrealistisch: das wären die U18-Europameisterschaften Mitte Juli in Banská Bystrica (Slowakei). Pro Disziplin besitzt Deutschland mindestens zwei Startplätze.

„Zuletzt haben im Weitsprung fast immer sechs Meter gereicht, um nominiert zu werden“, sagt Nils Lillie. Kann die sympathische Hittfelderin ihre Hallenleistung bestätigen, kann sie also bald wieder entspannt auf der Matte liegen und neue Ziele formulieren.