Fast 100 Polizisten suchen bei Verkehrskontrollen im Hamburger Umland nach Einbrechern.

Stapelfeld. Der alte Ford-Kastenwagen hat schon mal bessere Tage gesehen, aber das ist lange her. Der gelbe Lack ist stumpf, darauf sind schemenhaft noch die Umrisse mehr als eines Firmenschriftzugs zu erkennen. Nun rollt das Gefährt tuckernd auf den Parkplatz Ellerbrook an der Autobahn1 kurz vor der Abfahrt Stapelfeld im Kreis Stormarn. Voraus: ein Polizeiwagen, BMW-Kombi, auf dem Dach zwischen den Blaulichtern rote Leuchtschrift: „Bitte folgen!“ Die Polizisten haben beschlossen, dass es sich lohnen könnte, auf dieses Auto – und auf den Mann hinterm Lenkrad – einen genaueren Blick zu werfen.

Die Polizei macht an diesem Abend Jagd auf Einbrecher im nordöstlichen Hamburger Umland, dort, wo die Einbruchszahlen beunruhigend hoch sind. 1481 Taten sind im Jahr 2013 in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg registriert worden, 206 davon allein in Ahrensburg; die Stadt gilt als Einbruchshochburg in der Region. Daten für 2014 liegen zwar noch nicht vor, Polizisten zufolge dürften sie aber auf einem ähnlich hohen Niveau liegen. Jetzt, im Winter, sind es deutlich mehr als im Jahresschnitt: „Zurzeit registrieren wir etwa 50 Fälle pro Woche in beiden Kreisen“, sagt Andreas Dirscherl von der Polizeidirektion Ratzeburg. Knapp 100 Beamte sind im Einsatz, sie haben sechs Kontrollpunkte an Autobahnen und großen Einfallstraßen nach Hamburg aufgebaut: auch an der A24, an der B75 bei Ahrensburg, an der B207 in Wentorf, in Oststeinbek und in Barsbüttel. Denn die Ermittler sind sich sicher: Viele Straftäter, die im wohlhabenden Umland der Hansestadt auf Bruch gehen, fahren anschließend nach Hamburg zurück, um in der Großstadt unterzutauchen. Es gelingt ihnen allerdings nur selten, diese Täter auch zu fassen: Die Aufklärungsquote liegt – Stand 2013 – bei gut sechs Prozent.

In diesem Zusammenhang wird klar: Der Mann hinterm Lenkrad des Ford-Kastenwagens, ein untersetzter Mittfünfziger mit südosteuropäischen Gesichtszügen, könnte ein Einbrecher sein, der gerade Feierabend macht. Er wirkt nervös. Drei Beamte haben den Wagen umstellt, Flutlichtstrahler leuchten den Parkplatz taghell aus. „Können wir bitte mal in den Laderaum gucken?“ Diese Frage bringt den Ford-Fahrer nun vollends zur Verzweiflung. „Ich habe keine Schlüssel dafür“, ruft er aufgeregt. Und dass er gar nicht wisse, was geladen sei. Also leuchten die Beamten mit Taschenlampen durch das Fenster hinter der Fahrerkabine in den Laderaum. Was sie sehen, wird ihr Geheimnis bleiben. Der Ford-Fahrer darf weiterfahren. Weil er offenbar ein unbescholtener Bürger ist.

Es sind Szenen wie diese, die sich vielfach wiederholen werden an der Autobahn, wo vorwiegend alte Transporter überprüft werden, oder 13 Kilometer südlich an der Möllner Landstraße in Oststeinbek, wo die Polizisten auffallend oft Autos mit polnischem Kennzeichen aus dem Verkehr ziehen. „Die Kollegen haben viel Erfahrung und ein gutes Gespür“, begründet Polizeisprecherin Sonja Kurz die Auswahl der Fahrzeuge. Solche Kontrollen sind politisch umstritten. Möglich sind sie überhaupt nur in Regionen, die zu sogenannten Gefahrengebieten erklärt worden sind. „Es gibt in Schleswig-Holstein gar keine Gefahrengebiete“, stellt Polizeisprecherin Kurz zwar richtig, doch selbst Andreas Breitner (SPD), Vorgänger des amtierenden Innenministers, hat dieses Wort benutzt. Gemeint ist, was der Paragraf 180 des Landesverwaltungsgesetzes regelt: polizeiliche Anhalte- und Sichtkontrollen. Demnach darf die Polizei „im öffentlichen Verkehrsraum zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung, bei denen Schaden für Leib, Leben oder Freiheit oder gleichgewichtiger Schaden für Sach- oder Vermögenswerte oder die Umwelt zu erwarten sind, (...) Personen kurzzeitig anhalten und mitgeführte Fahrzeuge einschließlich deren Kofferräume oder Ladeflächen in Augenschein nehmen“.

Das muss von der Polizei angeordnet werden, und zwar für 28 Tage, maximal dreimal in Folge. Eine weitere Verlängerung bedarf der Anordnung durch einen Richter. So ist die Stadt Neumünster schon seit Jahren eine derartige Sonderzone. Grüne, FDP und Piraten im Landtag in Kiel haben im vergangenen Frühjahr das Vorgehen der Polizei kritisiert. Pirat Patrick Breyer etwa sagte: „Verdachtslose Kontrollen ins Blaue hinein verletzen die Privatsphären unbescholtener Bürger.“ Ganze Regionen würden „als potenziell gefährlich diffamiert“. Der damalige Minister Andreas Breitner konterte: „Gefahrengebiete“ dienten einzig und allein dem Schutz der Bürger.

Als die Polizisten nach sechs Stunden die Kontrollstellen abbauen, ist es Zeit, Bilanz zu ziehen. Kontrollierte Autos: 450. Festgenommene Einbrecher: null. Elf der Kontrollierten allerdings sind einschlägig polizeibekannt, an diesem Abend aber offenbar nicht in Aktion gewesen. Polizeisprecherin Sonja Kurz sagt dazu: „Wir wissen nun, dass sie sich tatsächlich auf diesen Routen bewegen. Ein Erkenntnisgewinn.“