Viele Insulaner können sich keine Wohnung mehr leisten. Eine Genossenschaft will diesen Trend stoppen

Wittdün. Jeder Erfolg hat zwei Seiten. Und Neider. Auch der Erfolg von Wilfried Weichgrebe auf Amrum. „Ich könnte, wenn ich hätte, jede Woche ein großes Haus verkaufen“, sagt der Immobilienmakler, der das Büro von Densch & Schmidt Immobilien auf der Insel führt. Damit wäre die eine Seite benannt. Seit 2008 verkauft der gebürtige Hesse Häuser und Wohnungen auf Amrum, hat nach eigener Aussage eine hohe dreistellige Zahl von Interessenten in seiner Kartei, und die kommen fast ausnahmslos von außerhalb. Denn Insulaner können sich die Preise kaum leisten. Und da wären wir dann auch schon bei der anderen Seite des Erfolgs der Amrumer Immobilienmakler, denn neben Weichgrebe agieren noch einige andere auf dem begrenzten Markt.

In Zeiten niedriger Zinsen steigen die Immobilienpreise auf der Insel anscheinend unaufhörlich. Neuen Bauplatz gibt es nicht, wenn etwas gebaut werden soll, muss vorher abgerissen werden. Wie beispielsweise in Wittdün, wo auf dem Gelände des ehemaligen Kurmittelhauses etwa 30 Wohnungen entstehen sollen, von denen noch die Rede sein wird. Ansonsten kostet der Quadratmeter Wohnraum in exponierter Lage laut Makler Weichgrebe schnell 7000 Euro. Unter 4000 Euro gehe keine neue Immobilie weg, gute Wohnungen unter 3000 Euro könne er aber auch anbieten. Wenn eine Immobilie den Besitzer gewechselt hat, dann entstehen neue Ferienwohnungen, oft werden dafür die alten Reetdachhäuser aufwendig renoviert.

Gegen Ferienwohnungen hat Ulf Jürgensen nichts einzuwenden. Er ist auf Amrum aufgewachsen und führt mittlerweile die Jugendherberge im Fährort Wittdün. Er kennt die Situation seiner Insel, die vom Tourismus lebt. Er weiß auch, dass Makler wie Wilfried Weichgrebe nicht die Ursache des Problems sind. Höchstens Indikatoren. „Das Thema Dauerwohnen ist seit mehr als einer Generation Thema auf Amrum“, sagt er. Wie andere Insulaner fürchtet er eine Entwicklung wie auf Sylt, wo die Preise ebenfalls stetig steigen und viele Einheimische oder Angestellte sich das Wohnen auf der Insel selbst schlicht nicht mehr leisten können. Aber nach Sylt fahren Züge, und so gibt es heute täglich etwa 4000 Pendler vom Festland. Pendeln ist jedoch nach Amrum nicht möglich. Die Fähre von Dagebüll fährt im Winter vier- bis fünfmal am Tag durchs Wattenmeer und braucht zwei Stunden.

Schule, Kindergärten, Schwimmbad, das gesellschaftliche Leben insgesamt seien ohne zugezogene Mitarbeiter nicht denkbar, sagt Wittdüns Bürgermeister Jürgen Jungclaus. Es brauche eine gesunde Mischung aus Wohnungen und Ferienwohnungen. Und so müssen Lösungen her, sagt Jungclaus: „Uns liegt sehr viel daran, für die Zukunft sicherzustellen, dass die Infrastruktur aufrechterhalten bleibt.“ Ulf Jürgensen hat eine Lösung und die heißt Üüs Aran. Der friesische Begriff bedeutet übersetzt „unser Zuhause“. Genau das wollen Jürgensen und seine Mitstreiter schaffen: Ein Zuhause für die Insulaner. Dafür haben sie Anfang des Jahres eine Genossenschaft gegründet, die dieses Ziel im Namen trägt.

Und nun kommt wieder das Grundstück der Gemeinde Wittdün ins Spiel, wo noch bis vor wenigen Wochen das ehemalige Kurmittelhaus stand und heute die marode Nordseehalle auf ihren Abriss wartet. Hier will die Wohngenossenschaft Üüs Aran aktiv werden und für ihre Mitglieder insgesamt 30 Wohnungen bauen. Damit den Wohnungen nicht das gleiche Schicksal blüht wie den Häusern auf der wenige Hundert Meter entfernten Wittdüner Südspitze, ist das Modell der Genossenschaft laut Ulf Jürgensen ideal. Dort auf der Südspitze hatte die Gemeinde ein Baugebiet nur für Insulaner ausgewiesen. „Das war im Prinzip gut“, sagt Jürgensen. Aber nur im Prinzip. Denn da die Bauherren Eigentümer wurden, konnten sie auch verkaufen, als sie ihre Häuser nicht mehr benötigten. „Das Eigentumsrecht ist ein besonders starkes Recht“, sagt Bürgermeister Jungclaus.

Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen arbeiten Gemeinde und Genossenschaft derzeit an den Feinheiten einer Kooperation. Das sieht im Kern so aus: Die Genossenschaft erhält das Grundstück von der Gemeinde auf Basis einer Erbpacht. Die Gemeinde kann im Gegenzug an den Bedingungen mitwirken, zu denen die Wohnungen vergeben werden. Damit werde die Umwandlung in Ferienwohnungen ausgeschlossen, sagt Jürgensen. Allerdings müssten die Mitglieder der Genossenschaft für ein Wohnrecht Anteile zeichnen. Diese richten sich nach dem Einkommen, für die kleinste Wohneinheit von 50 Quadratmetern sind zwischen 15.000 und 32.500 Euro aufzubringen. Die 80 Prozent Belegung bei Baubeginn Anfang 2015 würden so nicht erreicht, sagt Jürgensen. Aber er ist zuversichtlich, dass dennoch alles klappt. Zwei Amrumer Familien hätten bereits angekündigt, wegen Üüs Aran ab 2016 auf die Insel zurückkehren zu wollen.

Gegen einen Erfolg des Genossenschaftsmodells hat auch Makler Weichgrebe nichts einzuwenden. Schließlich leben auch er und seine Kunden von der Infrastruktur auf der Insel. Generell müssten die Vermieter seiner Meinung nach in die Quartiere investieren. Dass er selbst bei einigen Insulanern nicht beliebt sei, liege auch daran, dass er und seine Projekte in Konkurrenz zu den vielen alten und oft wenig modernen Ferienwohnungen auf der Insel stünden. Die Strand Residenz in bester Lage in Wittdün, die vor zwei Jahren fertiggestellt wurde, sei mit ihrer modernen Ausstattung gut belegt. Für Weichgrebe steht deswegen fest: „Neid und Missgunst sind die höchste Form der Anerkennung.“