Ralf-Werner D. sägte sich zwei Finger ab und wollte 1,4 Millionen Euro von vier Versicherungen

Norderstedt. Mit einem Lächeln im Gesicht verlässt Ralf-Werner D., 50, am Freitag gegen 13 Uhr den Saal F des Amtsgerichts Norderstedt. Es wirkt trotzig. So als messe er dem Urteil von Amtsrichterin Wiebke Dettmers keine große Bedeutung bei. Die hatte ihn zuvor kurz und bündig wegen des versuchten Versicherungsbetruges schuldig gesprochen. Ein Jahr und zehn Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf zwei Jahre und sechs Monate zur Bewährung, plus die Kosten des Verfahrens. Für die Richterin ist klar: Ralf-Werner D. hat sich Daumen und Zeigefinger der linken Hand an der Kreissäge absichtlich abgeschnitten, um 1,4 Millionen Euro an Versicherungssumme zu erschleichen.

Es ist das Ende des spektakulärsten Falls von Versicherungsbetrug in diesem Jahr. Das vorläufige Ende. „Denn der Fall wird die Gerichte in Schleswig-Holstein sicher noch in den nächsten Jahren beschäftigen“, sagt Jürgen Meyer, Anwalt des Angeklagten nach der Verhandlung auf dem Flur des Amtsgerichts. „Leider ist es mir nicht gelungen, die Richterin davon abzuhalten, ein völliges Fehlurteil zu fällen.“ Für ihn und seinen Mandanten sei es erschütternd zu sehen, wie dünn die Urteilsbegründung ausgefallen sei. „Selbstverständlich werde ich Rechtsmittel einlegen“, sagte Meyer und sparte nicht an Kritik gegenüber dem Norderstedter Amtsgericht. „Es gibt andere Gerichte in Schleswig-Holstein, die in solchen komplizierten Fällen in der Vergangenheit weitaus kompetenter geurteilt haben, das Oberlandesgericht in Schleswig etwa.“

Es verwundert nicht, das Ralf-Werner D. und sein Anwalt weiterkämpfen wollen. Der 50-jährige ehemalige Versicherungsfachmann Ralf-Werner D. ist wirtschaftlich ruiniert, arbeitslos und hält sich mit Handlangerjobs auf Wochenmärkten über Wasser. Natürlich hält er fest an seiner Version der Geschichte, die von einem unbescholtenen Mann handelt, der am 11. Februar 2010 im Keller seines Hauses in Henstedt-Ulzburg über seine Hunde stolpert und in die laufende Kreissäge fällt und dem jetzt keiner glauben möchte, dass dies ein böser Zufall war. Richterin Dettmers sagte, sie habe sich bei der Beurteilung nicht in Indizien verstricken wollen, mit denen Anwalt Jürgen Meyer versucht hatte, ein Urteil im Zweifel für den Angeklagten zu erreichen. „Es ist nicht entscheidend, was nach der Tat geschah, sondern davor.“ Dettmers folgte dem Rechtsmediziner Professor Hans-Jürgen Kaatsch, der im Prozess ein Gutachten abgegeben und das Verletzungsbild an der Hand von Ralf-Werner D. als typisch für eine Selbstverstümmelung befunden hatte. Als Zufall wollte Dettmers auch die Tatsache nicht akzeptieren, dass der Angeklagte bis vier Wochen vor der Tat insgesamt vier Unfallversicherungen abschloss, die besonders seine Finger absicherten.

Das Motiv des Angeklagten sei es gewesen, 1,4 Millionen Euro Versicherungssumme zu kassieren und keinen Tag mehr arbeiten zu müssen, sagte Dettmers. Bei der Beurteilung des Betrugs komme erschwerend hinzu, dass Ralf-Werner D. nicht nur den hohen Schaden bei den vier Versicherungen in Kauf genommen und dem Gesundheitssystem mit der Behandlung seiner Hand unnötige Kosten verursacht habe. Richterin Dettmers erinnerte Ralf-Werner D. auch an seine Frau, die seit der Anklage unter gesundheitlichen Problemen leidet.