Die Ex-Ministerin Annette Schavan (CDU) kam persönlich, um sich die Urkunde in Lübeck abzuholen. Uni-Präsident Dominiak verteidigte die Verleihung.

Lübeck. „Diese Universität hat offenkundig einen langen Atem.“ Die ehemalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) beginnt die Rede im Audimax der Universität Lübeck am Freitag mit einem Lob. Es geht um ihren Titel. Zwei Jahre lang hat sie darauf warten müssen. An diesem Abend bekommt sie ihn: Schavan wird noch mal Doktor. Sie darf sich „Dr. h. c.“ nennen. Vier solcher Titel hat sie schon, vergeben von ausländischen Unis. Ihren einzigen „echten“ Doktortitel, erworben an der Uni Düsseldorf, musste sie abgeben – das Ergebnis eines quälend langen Plagiatsverfahrens. Die Sache hat sie unter anderem den Posten der Bundesbildungsministerin gekostet. Einen Doktortitel verloren, einen gewonnen: Das ist doch eine ausgeglichene Bilanz, sollte man meinen. Peter Dominiak, der Präsident der Lübecker Uni, reagiert auf solche Sätze gereizt. „Das eine“, sagt er, „hat mit dem anderen doch überhaupt nichts zu tun.“

Das sehen nicht alle so. Schavans fünfter Doktor ist mit einem Makel behaftet. Ihr „Dr. honoris causa“ wird zu einer Frage der Ehre. Vor den Türen des Audimax protestieren Studenten. Die Vorsitzende des Studierendenausschusses, Maren Janotta, bezeichnet die Verleihung auch angesichts der „gerichtlich bestätigten Plagiate“ als „hoch problematisch“ – und fragt, welche Schavan-Leistung hier eigentlich ausgezeichnet werde. Ralf Stegner, SPD-Fraktionschef im Kieler Landtag, spricht von „Provinzposse“: „Mit Ehre hat das alles ganz gewiss nichts zu tun.“

Uni-Präsident Dominiak gibt sich in seiner Laudatio auf Schavan alle Mühe, die Argumente der Kritiker zu entkräften. Schon draußen vor der Tür hatte er zuvor einen recht trotzigen Satz gesagt: „Ich halte nicht jeden Morgen meinen Kopf aus dem Fenster, um zu sehen, wo der Wind gerade herkommt.“ Im Saal klingt es dann etwas diplomatischer. „Die Verleihung ist keine Kompensation für den Verlust des wissenschaftlichen Doktorgrades, sie ist weder ein Geschenk noch eine Ohrfeige für das Gericht oder die Universität Düsseldorf“, sagt er. Dominiak lobt ausdrücklich den Protest der „kämpferischen Studentenschaft“ gegen die drohende Schließung der Universität im Jahr 2010. Damals hatte die schwarz-gelbe Landesregierung den Medizinstudiengang in Lübeck abschaffen wollen, was die Uni in ihrem Bestand gefährdet hätte. Am Ende fand die damalige Bildungsministerin Schavan eine Lösung, die das verhinderte. Dominiak beharrt in seiner Rede darauf, dass dies nicht der einzige Grund für die Ehrendoktorwürde gewesen sei. „Die Verleihung eines Dr. h. c. allein mit der Teilhabe an der Rettung des Medizinstudiengangs zu begründen schien uns nicht adäquat.“ Schavans Initiative für die deutschen Gesundheitsforschungszentren sei „ein wesentlich höherer Verdienst um die medizinische Wissenschaft“, so Dominiak. Dann bittet er die so Gerühmte auf die Bühne, um ihr die Urkunde zu überreichen. Langer Beifall. „Ich danke von Herzen“, sagt Schavan – und hält dann eine hochschulpolitische Rede, als sei sie immer noch Ministerin und nicht nur noch Bundestagsabgeordnete.

Die Uni, die dieses Jahr gerade mal 50 Jahre alt wird, hatte schon im Jahr 2012 entschieden, die Ministerin zur Ehrendoktorin zu machen. Zunächst kam die Landtagswahl störend dazwischen, dann das Plagiatsverfahren zu ihrer mehr als 30 Jahre alten Doktorarbeit. Es endete mit dem Entzug des Titels. Im Februar 2013 legte Schavan, die als enge Freundin der Bundeskanzlerin Angela Merkel gilt, das Amt der Bundesbildungsministerin nieder. Sie klagte gegen den Entzug und unterlag. Am Donnerstag gab sie bekannt, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht anfechten zu wollen.

Denn Schavan steht vor einem Neuanfang. Im Sommer soll die Bundestagsabgeordnete deutsche Botschafterin im Vatikan werden. In ihrem Wahlkreis Ulm ist die Nachricht von ihrem Wechsel nicht gut aufgenommen worden. Noch im Sommer hatte die Führung der Bundes-CDU die örtlichen Parteifunktionäre offenbar unter Druck gesetzt, um die in der Kritik stehende Schavan mit einem guten Nominierungsergebnis in ihrer Bundestagskandidatur zu unterstützen. In Ulm spielte man zähneknirschend mit. Nun wird die Bundestagsabgeordnete ihr Mandat niederlegen – nach nicht einmal einem Jahr im Parlament. Der örtlichen Zeitung, der „Südwest Presse“, war das ein giftiger Kommentar wert. Schavan reagierte auf ihre Art. Wenn eine Ulmerin Botschafter im Vatikan werde, könne dies „für Ulm doch nicht schlecht sein“, sagte sie. So gesehen: Wenn eine Ehrendoktorin der Universität Lübeck Botschafterin beim Papst wird – ist das dann nicht auch gut für die Uni Lübeck?