Gutachten zur Reform des kommunalen Finanzausgleichs sorgt für Protest bei den Landräten – Städte profitieren. Kreise müssen vermutlich auf etwa 50 Millionen Euro pro Jahr verzichten.

Kiel. Es geht um jährlich rund 1,2 Milliarden Euro, die möglichst gerecht auf die Gemeinden, Kreise und Städte in Schleswig-Holstein verteilt werden sollen: Das ist der kommunale Finanzausgleich. Die Landesregierung will ihn reformieren. Es sei die „anspruchsvollste Aufgabe“ seiner Regierung, hat Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) unlängst gesagt. Nun liegt ein anspruchsvolles Gutachten zu diesem Thema vor. Und es sorgt für Streit.

Die Kreise sind offenbar die Verlierer der Reform. Auf vermutlich etwa 50 Millionen Euro pro Jahr müssen sie verzichten, wenn die Vorschläge des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung (NIW) umgesetzt werden. Die kreisfreien Städte Lübeck, Kiel, Neumünster und Flensburg sollen hingegen mehr Geld bekommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das auch geschieht, ist hoch. Der Landesinnenminister Andreas Breitner (SPD), der das 120-seitige Werk in Auftrag gegeben hatte, sagt: „Dieses Gutachten ist die entscheidende Grundlage für die Reform des kommunalen Finanzausgleichs.“ Von den Gegnern der Neuregelung fordert er, auf die Qualität der Argumente zu achten: „Wer das Gutachten kritisiert, der muss nachweisen, dass es Systemfehler enthält.“

Bei den elf schleswig-holsteinischen Kreisen hat das Gutachten Empörung ausgelöst. „Wir sind seit Jahren erheblich unterfinanziert“, sagt Reinhard Sager, Landrat des Kreises Ostholstein und zugleich Sprecher aller Landräte im nördlichsten Bundesland. „Das Gutachten kommt zu genau dem Ergebnis, dass der Innenminister schon vorempfunden hatte: Die Städte werden finanziell bessergestellt“, sagt Sager. „Das ist nicht wirklich verwunderlich.“ Die Schlechterstellung der Kreise hingegen „leuchtet nicht ein“. „Städte und Kreise haben gleichermaßen Ausgaben für Sozialhilfe und Jugendhilfe, bei uns macht das rund zwei Drittel unserer Ausgaben aus“, sagt der Landrat. „Warum die Städte deshalb mehr Geld bekommen sollen, die Kreise aber weniger, erschließt sich mir nicht.“

Die derzeit 1,2 Milliarden Euro sollen nach den Vorstellungen der Gutachter auch weiterhin auf drei Geldtöpfe verteilt werden, allerdings in einer etwas anderen Gewichtung. Der Topf für Gemeindeaufgaben wächst von 40 auf 42,4Prozent der Gesamtsumme. Für übergemeindliche Aufgaben werden in Zukunft 13,7 statt 11,41 Prozent ausgegeben. Für Kreisaufgaben sind statt 48,59 Prozent nur noch 43,9 Prozent übrig. Zudem soll das Geld aus diesem Topf – und das ist die wichtigste Veränderung – nach einem anderen Prinzip verteilt werden. Bislang geht es dort ausschließlich nach Einwohnerzahl, nun kommt ein Soziallastenansatz hinzu. Wer hohe Sozialkosten hat, bekommt mehr Geld.

In welcher Form das geschieht, ist noch unklar. Das NIW empfiehlt eine Berechnung entsprechend der Zahl der Bedarfsgemeinschaften, denkbar wären auch andere Varianten.

Fachleute sehen in dieser Komponente tatsächlich ein Mittel, um zu einer gerechteren Verteilung der Mittel zu kommen. „Darüber lässt sich sprechen“, sagt Axel Bärendorf, der Bürgermeister der Stadt Reinbek (Kreis Stormarn). In der Tat sind die Soziallasten derzeit ungleich verteilt. In Neumünster liegen sie bei 473Euro pro Einwohner, in Flensburg bei 340Euro. Bei den elf Kreisen liegt Stormarn mit 160Euro am unteren Ende der Skala, Dithmarschen mit 244Euro am oberen Ende. Das Gutachten enthält eine Fülle von weiteren Vorschlägen.

So sollen die Umlandgemeinden zur Finanzierung der Berufsfeuerwehren in den kreisfreien Städten herangezogen werden. In welchem Maße das geschehen soll, ist unklar.

Landrat Reinhard Sager: „Wir müssen uns das Gutachten genau angucken.“ In einem Punkt ist er sich schon sicher: „Wenn wir tatsächlich so viel Geld verlieren sollten, erhöht das den Druck auf die Kreisumlage.“ Die Kreise haben abgesehen von der Jagdsteuer keine eigenen Steuerquellen. Sie finanzieren sich aus dem Finanzausgleich und aus der Kreisumlage. Die zahlt jede Gemeinde an den Kreis, zu dem sie gehört. Die Umlage könnte also erhöht werden, um die Löcher in den Kreiskassen zu stopfen. Thomas Giebeler, Pressesprecher des Innenministeriums, warnt davor, das zu tun. „Dann würden wir als Reaktion die Mittel aus dem Finanzausgleich weiter reduzieren.“ Sager: „Wir werden eine Verschiebung hin zu den Städten nicht akzeptieren.“

Bernd Saxe, der Lübecker Bürgermeister, denkt da natürlich anders. „Es freut mich besonders, dass die Gutachter erstmals bestätigen, dass die kreisfreien Städte im Wesentlichen nicht durch eigenes Verschulden oder Unvermögen in die außerordentlich schwierige Finanzlage gekommen sind, in der sie sich befinden“, sagt er. „Die Ursachen liegen vielmehr in einem krassen Missverhältnis zwischen dem breiten Aufgabenspektrum und der viel zu geringen Finanzausstattung.“