Die Sanierung der Rader Hochbrücke ist nur ein weiteres Verkehrshindernis im Norden. Unternehmensverband Nord hat Schleswig-Holstein und Hamburg zu einer „kraftvollen Allianz“ aufgefordert.

Kiel. Einsatzschwerpunkt Rader Hochbrücke: Die schleswig-holsteinische Polizei hat derzeit alle Hände voll zu tun, um Lastwagenfahrer zu disziplinieren. Rund um die Uhr sind zehn Polizisten im Einsatz, um die Brummis davon abzuhalten, auf die Brücke zu fahren, die im Verlauf der A7 den Nord-Ostsee-Kanal überspannt. Die Pfeiler sind marode und müssen sofort repariert werden. Vier Monate soll das dauern. Bleibt die Brücke nun also vier Monate lang und 24Stunden am Tag Einsatzschwerpunkt der Polizei?

Lothar Gahrmann, Pressesprecher des Landespolizeiamts, zuckt mit den Achseln. „Momentan kriegen wir die meisten Lastwagen von der Autobahn runter“, sagt er. „Aber einige fahren durch. Das gibt ein Strafmandat, das kostet sie 15 Euro. Das macht den Speditionen nichts, der Umweg, den sie fahren müssten, würde sie insgesamt 60 Euro kosten.“ Das Problem: Jeder Lastwagen ist eine Belastung für die Brücke. Die Einsturzgefahr wächst mit jedem Lastzug.

„Die Sperrung kommt einfach zu einem ganz schlechten Zeitpunkt“, sagt Gahrmann. Der Nord-Ostsee-Kanal wird plötzlich zu einem echten Verkehrshindernis. Auch das zweite große Querungsbauwerk im Zentrum des Landes Schleswig-Holstein, der Rendsburger Kanaltunnel, wird bis Ende 2014 saniert. Derzeit gibt es auch dort nur eine Spur pro Fahrtrichtung. Die Umleitungsempfehlung aus dem Verkehrsministerium führt deshalb weit in den Osten und in den Westen des Landes. In Fahrtrichtung Norden sollen die Autofahrer in Kiel den Kanal queren, Richtung Süden sollen sie es im Verlauf der A23 zwischen Heide und Itzehoe tun. Auf dieser Autobahn gibt es derzeit gleich zwei Großbaustellen. Eine bei Itzehoe, eine bei Elmshorn.

Der Unternehmensverband Nord hat die Bundesländer Schleswig-Holstein und Hamburg zu einer „kraftvollen Allianz“ aufgefordert. „Die norddeutschen Bundesländer müssen in Berlin gemeinsam Lobbyarbeit für die wichtigsten Verkehrsvorhaben betreiben“, sagt Michael Thomas Fröhlich, der Hauptgeschäftsführer des Verbands. „Wie sollen wir Investoren für Schleswig-Holstein begeistern, wenn diese den Standort entweder nicht vernünftig erreichen können oder ständiger Staugefahr ausgesetzt sind?“ Peter Michael Stein, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein, ergänzte mit Blick auf die maroden Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals: „Dies ist innerhalb von nicht einmal sechs Monaten bereits das zweite Mal, dass eine der beiden wichtigsten Verkehrsachsen des Landes wegen ihres schlechten Bauzustands lahmgelegt wird.“

Dienstag ging es an der Rader Hochbrücke ein bisschen voran: Die ersten Pfeiler bekamen ein Stahlkorsett angelegt. Eine Million Euro soll die Reparatur kosten. Am Mittag telefonierte Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) mit Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Sie seien sich einig gewesen, dass die Brücke zügig saniert werden müsse, sagte Meyer. Außerdem habe sich Ramsauer aufgeschlossen gegenüber einem Neubau gezeigt. Dienstag gingen auch verschiedene Vorschläge zur Verbesserung der Verkehrssituation ein. Johannes Callsen, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, fordert, dass auf der Baustelle rund um die Uhr gearbeitet werden müsse. „Ich werde die Wasser- und Schifffahrtsdirektion bitten, diesen Vorschlag zu prüfen“, sagte Verkehrsminister Meyer. Ein weiterer Vorschlag aus den Reihen der Wirtschaft, die Baustelle im Rendsburger Kanaltunnel zu beseitigen und den Tunnel provisorisch herzurichten, scheint nicht umsetzbar zu sein. „Die planerische Vorbereitung würde den zeitlichen Rahmen sprengen“, sagte Meyer. Bis der Tunnel hergestellt ist, ist die Hochbrücke saniert.

Klar ist, dass die Mängel an der fast 1500 Meter langen Brücke ein parlamentarisches Nachspiel haben werden. CDU und FDP erwarten, dass der Verkehrsminister bei der nächsten Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 7. August Bericht erstattet. „Die Teilsperrung der Rader Hochbrücke ist für den Wirtschafts- und Tourismusstandort Schleswig-Holstein ein verkehrspolitischer Super-GAU“, sagt Christopher Vogt (FDP), Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses. „Minister Meyer muss erklären, warum die massiven Schäden an der Brücke erst jetzt entdeckt und offengelegt wurden.“

Die 7000 Lastwagen, die sonst täglich die Rader Hochbrücke passieren, „vagabundieren nun durchs Land“: So formuliert es Lothar Gahrmann. Die meisten Brummifahrer nehmen die kürzeste Umleitung: die durch den Rendsburger Kanaltunnel. Probleme gab es bislang laut Lothar Gahrmann deswegen nicht.