Wie sich die Agrarpolitik und was sich für die Bauern in Niedersachsen ändert, falls die CDU/FDP-Koalition am 20. Januar abgewählt wird.

Hannover. Wenn am 20. Januar abends die ersten stabilen Hochrechnungen der Landtagswahl über die Bildschirme flimmern, dann werden die Landwirte in Niedersachsen erfahren, ob sie umlernen müssen. Und Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) weiß dann, ob sein Plan eine Chance hat, einen bundesweiten Konsens zu organisieren bei der Suche nach einem Atomendlager. Wohl nie zuvor haben sich die Programme der beiden politischen Lager im Agrar- und Atomenergieland Nummer eins der Bundesrepublik in den Bereichen Landwirtschaft und Umwelt so deutlich unterschieden wie in diesem Landtagswahlkampf.

Der amtierende Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) hat für die CDU/FDP-Koalition seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren angesichts des wachsenden Akzeptanzverlusts der Landwirtschaft eine Gratwanderung gemacht - mehr Tier- und Naturschutz versprochen, aber dafür eine großzügige Zeitschiene gewählt. Geschuldet ist diese Zögerlichkeit dem Boom der Branche, die in Landkreisen wie Vechta, Cloppenburg und Emsland für Vollbeschäftigung sorgt. Aber mit immer mehr Megaställen für Rinder, Schweine und Geflügel bringen die Bauern die Anwohner gegen sich auf, und mit der Vermaisung der Landschaft als "Futter" für die Biogasanlagen empören sie die Naturschützer. Nebeneffekt der Flächenkonkurrenz: Die Hektarpreise für Kauf und Pacht explodieren.

Zwar liegt die Gesetzgebungskompetenz für das Bauprivileg der Landwirte beim Bundestag, aber eine rot-grüne Landesregierung will Stallbauinvestitionen nicht länger fördern und könnte die zunehmend genervten Kreistage auch sonst kräftig unterstützen, um den Bau immer neuer Ställe und Schlachthöfe zu bremsen. Birgit Honé, nicht eben eine Agrarspezialistin, aber erfahrene Verwaltungsjuristin und von der SPD für das Agrarressort nominiert, will klare Grenzen ziehen: "Angesichts grausamer Quälereien und nicht akzeptabler Zustände in der Nutztierhaltung braucht Intensivtierhaltung klare Regeln." Und die Grünen werden nach einem Wahlsieg den Bauern die Daumenschrauben beim Ausbringen der Gülle anlegen, die durch Massentierhaltung fast zwangsläufig auf dem Weg über die Äcker die Nitratbelastung des Trinkwassers gefährlich steigen lässt. Auch beim Verfüttern von Antibiotika werden sie den Bauern genauer auf die Finger schauen wollen. Es sind nicht nur die Tierschutzskandale der vergangenen Jahre, die SPD und Grüne beflügeln. So erfolgreich die Agrarwirtschaft auch ist, das Höfesterben geht weiter und damit der Einfluss der Bauern an der Wahlurne. Nicht die klassische Umweltpolitik mit der Ausweisung von Naturschutzgebieten, sondern die künftige Agrarpolitik entscheidet über den Stellenwert von Naturschutz.

So wie im Fall eines Regierungswechsels Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) der zuverlässige Partner Niedersachsen verloren geht, würde es auch Bundesumweltminister Altmaier treffen. Im Gegensatz zur Bundesebene lehnt SPD-Spitzenkandidat Stephan Weil die angepeilte ergebnisoffene neue Standortsuche für den hochradioaktiven Müll unter Einbeziehung des Salzstocks Gorleben strikt ab. Weil hat sich dabei offen gegen den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel gestellt, und auch der Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel hat demonstrative Bauchschmerzen signalisiert. Daran kann das komplette Konsensmodell scheitern, denn ein Niedersachsen-Nein zur Einbeziehung von Gorleben in die neue Suche gäbe allen Bundesländern einen Vorwand, sich ebenfalls zu verweigern.

Zehn Jahre lang haben in Hannover die beiden Liberalen Hans-Heinrich Sander und - seit Anfang 2012 - Stefan Birkner als Umweltminister alle Entscheidungen der Bundesebene in der Atompolitik mitgetragen. Eine auf Krawall gebürstete neue rot-grüne Koalition aber könnte sich nicht nur bei Gorleben querstellen, sondern auch bei den anstehenden Entscheidungen für das marode Endlager Asse und das im Bau befindliche Endlager Schacht Konrad für schwach- und mittelaktiven Müll Sand ins Getriebe streuen.