Regelung zur Annahme von Geschenken und Spenden gilt seit April. Bürgermeister des Landes kritisieren den “bürokratischen Irrsinn“.

Kiel. Kurz vor Weihnachten rieseln die Schecks. Dann häufen sich in Schleswig-Holsteins Amtsstuben die Besuche von Unternehmern und Sponsoren, die Geld für den guten Zweck verteilen möchten. Wer in der Stadt dringend Hilfe benötigt und damit von dem Geldsegen profitieren soll, bleibt den jeweiligen Rathauschefs überlassen. Doch mit diesen Weihnachtsgeschenken könnte bald Schluss sein, zumindest befürchten das viele Bürgermeister im Land. Grund für den versickernden Spendenstrom ist die neue Gemeindeordnung. Im April trat die umstrittene Regelung in Kraft, die Bürgermeistern derzeit Kopfzerbrechen bereitet.

Der Paragraf regelt erstmals die Annahme von Geschenken und Spenden durch die Stadtverwaltungen. Danach kann nur noch der Bürgermeister diese Geschenke annehmen, wenn sie von den Politikern in einer öffentlichen Gemeindevertretersitzung abgesegnet wurden. In der Praxis bedeutet das für den Alltag in mehr als 1000 Gemeinden zwischen Pinneberg und Flensburg, dass jeder Kuchen, den Eltern zum Sommerfest in die kommunale Kita mitbringen und jede Gulaschsuppe, die der örtliche Schlachter fürs Feuerwehrfest zur Verfügung stellt, einen offiziellen Verwaltungsakt nach sich zieht.

"Das ist doch der totale Irrwitz", sagt Detlef Goos. Der 75-Jährige ist seit vier Jahren Bürgermeister von Tangstedt. Die 2300 Einwohner große Gemeinde im Kreis Pinneberg lenkt er ehrenamtlich. Zum Kuchen-Paragrafen hat er eine deutliche Meinung: "Das ist wirklichkeitsfremd." Und weil er das so sieht, weigert er sich auch schlichtweg, die Anordnung umzusetzen. "Wir umgehen das einfach", gibt Goos zu. Die Gemeinde nimmt keine Spenden mehr an. "Wer der Feuerwehr etwas Gutes tun will, spendet das Geld einfach dem Förderverein, wer die Schule unterstützt, verweisen wir an den Schulverein", so Goos. Er selbst wird den etwa 150 Euro teuren Fahrradständer, den er für das neue Jugendhaus spendieren will, daher auch dem Trägerverein überantworten. "Ich werde doch keine Gemeindesitzung einberufen und mir selbst die Spende genehmigen lassen. Das ist doch Quatsch."

Somit verfehlt der Paragraf in Tangstedt und anderen Gemeinden, die auch auf den Trick zurückgreifen, seinen Zweck. Er bewirkt sogar das Gegenteil. Während durch den Paragrafen Korruption verhindert und mehr Transparenz geschaffen werden sollte, versickern die Infos jetzt auf dem Umweg über die Fördervereine. Bislang wurden die Gemeinderäte in nicht öffentlicher Sitzung über die Spender informiert.

Mit dieser Anonymität ist es vorbei. Besonders darum sorgen sich die Bürgermeister. "Potenzielle Spender könnten sich zurückziehen, weil sie Angst haben müssen, dass andere von ihrem Engagement erfahren und auf sie zukommen", sagt Rellingens Bürgermeisterin Anja Radtke. Angesichts von klammen Stadtkassen gibt Wedels Bürgermeister Niels Schmidt zu bedenken: "Wenn es einen Stifter gibt, sollte man ihn doch nicht durch Bürokratie verprellen." Das findet auch Reinbeks Bürgermeister Axel Bärendorf. "Der bürokratische Aufwand ist zu hoch, viele werden sich überlegen, ob sie uns Gutes tun wollen."

Zu welchen Auswüchsen die Transparenzregel führen kann, zeigt der Fall Kaltenkirchen. Um auch in diesem Jahr Spenden für das Weihnachtshilfswerk sammeln zu können, musste das Kommunalparlament der Stadtverwaltung eine Genehmigung im Voraus erteilen. Andernfalls wäre die Spendenaktion für Bedürftige, die seit Jahrzehnten zur Tradition in Kaltenkirchen gehört, möglicherweise illegal gewesen. Jedes Jahr sammeln die Organisatoren der Stadt im Kreis Segeberg bis zu 20.000 Euro ein.

Wie wichtig aber eine sinnvolle Regelung für Kommunen sein kann, zeigt ein Fall aus Niedersachsen. Dort hatte die Staatsanwaltschaft 2008 gegen Buxtehudes Bürgermeister Jürgen Badur wegen des Verdachts auf Vorteilnahme ermittelt, weil der parteilose Rathauschef die Einladung eines Bauunternehmens in die VIP-Lounge im Hamburger Volksparkstadion angenommen hatte. Ein anderer Unternehmer zeigte Badur an. Das Verfahren wurde eingestellt.

Wo fängt Bestechung an, wo hört Kontaktpflege auf? Macht eine wie jetzt vorgeschlagene Bagatellgrenze in Höhe von 50 Euro Sinn oder sollte sie höher liegen? Klar ist, dass am morgigen Dienstag, 7. November, sich der Kieler Landtag dem Kuchen-Problem widmet. Gemeinsam mit den Fraktionen von SPD, FDP und dem SSW haben die Grünen einen Gesetzesentwurf zur Änderung der Gemeindeordnung eingebracht. "Wir wollen mit dem Antrag den Kuchen-Paragrafen vom Tisch bekommen", sagt Ines Strehlau, Landtagsabgeordnete der Grünen. Spenden mit einem Wert von weniger als 50 Euro würden nach dieser Regelung von der Genehmigungspflicht ausgenommen sein.