Der frühere Sitz der russisch-orthodoxen Gemeinde in Pöseldorf dient heute als Luxus-Domizil des Hamburger Unternehmers Lucas Meyer.

Mehr als ein Jahr hatte der Unternehmer Lucas Meyer nach einem kleinen Stadthaus gesucht. Nicht für seine Familie, sondern für sich allein. Der 63-Jährige glaubte zu wissen, was er wollte: ein Heim mit Atmosphäre. Von Anfang an schwebte ihm ein mehrgeschossiges Haus mit Geschichte vor, bei dem wenige Zimmer auf jeder Etage eine kompakte Gemütlichkeit ausstrahlen. Als er dann im Mai 2010 das denkmalgeschützte Stadthaus von 1864 in Pöseldorf sah, war er "endlich angekommen". Allerdings wusste Meyer da noch nicht, was dies an Arbeit bedeuten würde.

Der Grundriss auf dem Papier entsprach Meyers Vorstellungen: Fast gleichmäßig verteilten sich die 250 Quadratmeter Wohnfläche über vier Stockwerke mit Raumhöhen zwischen drei und 3,80 Metern. Jedes Stockwerk bot als abgeschlossene Fläche viel kreativen Spielraum für die verschiedenen Wohnkonzepte in seinem Kopf. Denn Meyer brannte darauf, das Haus nach seinem Geschmack einzurichten. "Bisher hatte das immer meine Frau mit einem Innenarchitekten übernommen."

Die Wirklichkeit holte ihn beim ersten Ortstermin mit der Maklerin ein. Vier Mietparteien hatten das Gebäude "grauenhaft verschandelt und verwohnt". Küche und sanitäre Anlagen waren ohne Sinn und Verstand in die Zimmer eingebaut worden. Ein besonderer Frevel: Der einst prachtvolle Stuck im Erdgeschoss war mit einer dicken Farbschicht zugekleistert worden.

Mit dem Architekten Ulrich Garbe, einem ehemaligen Mitarbeiter des Denkmalschutzamtes, ging der Hausherr ans Werk. Wie er erst von Garbe erfuhr, hatte Meyer den einstigen Sitz der russisch-orthodoxen Kirche erworben. Nach dem Auszug der frommen Mieter Anfang der 70er-Jahre sei dann die Parzellierung des Gebäudes in vier Wohneinheiten erfolgt. Von der sakralen Vergangenheit zeugen bis heute zahlreiche schmiedeeiserne Elemente und Verzierungen. Zu Meyers Glück hatte bereits der Vorbesitzer den Altar entfernt. "Den hätte ich sonst in mein Raumkonzept integrieren müssen".

Mit Garbe legte Meyer den Plan für die Umbauarbeiten fest. Zunächst wurden alle Räume komplett entkernt, Zwischenwände, alte Küchen und Bäder entfernt. Zur Schwamm-Sanierung musste der historische Stuck vollständig rekonstruiert werden.

Für die Planung der Bäder zog Meyer in dieser Phase bereits den Hamburger Inneneinrichter Thai Cong hinzu. Währenddessen legte der Restaurator unter üppigen weißen Farbmengen im Gartenzimmer ein historisches Deckengemälde frei. Fehlende Farbflächen des Kunstwerks ergänzte der Fachmann. Auch die niedrigen Türen mussten weichen. Heute schaffen bis zu 2,60 Meter hohe Durchgänge zwischen den eher kleinen Räumen ein großzügiges Raumgefühl auf allen Ebenen.

Um eine Terrasse zu schaffen, musste der Bauherr das Fenster des Gartenzimmers aufbrechen. Hier sah die Baubehörde zunächst die "Baulinie" überschritten. "Gottlob konnten wir nachweisen, dass die Linie genau mit der geplanten Terrasse endet." Um den Anforderungen des Denkmalschutzes zu genügen, ließ Meyer die Zierelemente für das Stahl-Geländer nach dem Vorbild der russisch-orthodoxen Originale nacharbeiten.

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Dann kam der nächste Schock. Weil es bei der Begehung im Keller "irgendwie hohl klang", veranlasste der Architekt eine Bohrung in den Boden. Das Ergebnis: Ein vier Meter tiefer Abgrund tat sich unter den Holzdielen auf, verursacht durch eine defekte Fallleitung. Nach Stabilisierung der Kellerwände wurde die Decke aufgebrochen, danach wurden 20 Tonnen Kies über ein Förderband in das klaffende Loch gekippt. Meyer: "Nicht auszudenken, was da hätte passieren können."

Nach Beseitigung aller Bausünden konnte sich der Hausherr dem angenehmen Teil der Arbeit widmen: Mit Thai Cong setzte Meyer seine Wohn-Visionen um. Meyer wollte das Thema "Schwarz-Weiß" im Haus verwirklichen, daneben sollten warme, goldene Farbtöne die Wandgestaltung und Möblierung prägen. Im Großen und Ganzen sollte die Einrichtung historisches Flair verströmen - so, als handle es sich um die Originalmöblierung. Und dann wünschte sich der Bauherr noch ein paar Überraschungselemente als Reverenz an die Gegenwart.

Das "Schwarz-Weiß"-Thema spiegelt sich im Haus auf mehreren Ebenen: Im Erdgeschoss wurden die Fußböden schwarz gebeizt, die Fensternischen bekamen einen schwarzen Anstrich, das Treppenhaus erhielt eine Tapete, auf der sich Rauten mit schwarzer Linie auf weißem Grund abheben. Hier, wie im Wohnzimmer, hängen große Schwarz-Weiß-Fotografien, teilweise übereinander in der Tradition der "Petersburger Hängung", wie man sie in Museen findet. Auch das Mosaik des Kellerbodens greift die schwarz-weiße Optik auf. Die Küche ist ganz in Schwarz gehalten.

Historisches Flair geht vor allem von der Möblierung und der Wandgestaltung in den Wohnräumen aus. Die warmen Goldtöne der Wände und die dunkelbraune Marmorplatte des Esstisches mit Messingeinfassung greifen zum einen die Farbnuancen des freigelegten Deckengemäldes auf, andererseits harmonieren sie mit den schwarzen Dielen und Fensternischen.

Eleganz verströmen die im englisch-französischen Stil gehaltenen Badmöbel und Armaturen. Auch sämtliche Möbel, Lampen, Spiegel - alle von exklusiven Herstellern aus Frankreich, Italien oder Belgien - zeugen vom Charme vornehmer, mediterran inspirierter Wohnkultur. Stolz ist Meyer auf seine "Schätze": In seinem Haus stehen zwei mit Rochenhaut bezogene Sideboards, im Esszimmer glänzt ein lackierter, schwarzer Raumtrenner aus Holz. Meyer: "Dieses Haus ist durch die Sanierung zu einem Teil von mir geworden. Hier ziehe ich nicht mehr aus."