Entwicklung in den ersten Lebensjahren verläuft rasant. Wann sollten Kinder laufen, wann sprechen?

Stolz trägt die zehn Monate alte Lara einen Basketball in der Turnhalle umher. Unermüdlich läuft Xaver, gerade 16 Monate alt, einem Fußball hinterher. Der fast gleichaltrige Max hingegen ist bestenfalls gewillt, sich robbend fortzubewegen. Jetzt geht er zur Krankengymnastik, damit er schleunigst krabbeln und laufen lernt. "Kinder sollten mit zwei Jahren sicher laufen können. Bis dahin wählt sich jedes Kind seinen Weg: Ob es robbt und läuft, ob es krabbelt, dann wieder robbt und schließlich läuft oder ob es direkt anfängt zu laufen, solange keine Entwicklungsstörung vorliegt, sollte man sich gedulden. Die Schematisierung, dass ein Kind mit acht Monaten krabbeln muss, muss vom Tisch", sagt Dr. Burkhard Püst. Der Kinderarzt leitet die Abteilung für Neuropädiatrie am Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift in Hamburg-Rahlstedt. Er begründet seine Haltung mit den Forschungsergebnissen von Kinderärzten und -psychologen sowie Physiotherapeuten der Universitäten Zürich und Tübingen, "die in den vergangenen Jahren Wesentliches über die Entwicklung des Kindes erarbeitet haben", so der Mediziner. Sie plädieren dafür, in Zeiträumen zu denken. Entscheidend sei, dass eine fortschreitende Entwicklung des Kindes zu beobachten ist. "Das Kind muss Meilensteine in seiner Entwicklung zurücklegen", sagt Dr. Püst. Ende des 1. Monats sollte es den Kopf heben können. "Das zeigt, dass es in das soziale Leben der Familie einbezogen ist", erläutert der Kinderarzt. Reagiert es nicht, dann sind vielleicht die Muskeln zu schwach, die Sinnesorgane gestört oder eine globale Entwicklungsverzögerung deutet sich an. "Möglicherweise wird das Kind auch einfach zu wenig angesprochen. Wichtig für die gesunde Entwicklung eines Kindes ist, dass es aufmerksam beobachtet wird und die Eltern sich viel mit ihm beschäftigen, damit es sozial und motorisch geschult wird", sagt der Mediziner, der großen Wert auf Gespräche mit den Eltern legt. Das erste Lebensjahr ist wegweisend, dass sich beide Körperhälften gleich entwickeln. "Also stellen Sie das Babybett in der Mitte des Raumes auf und gehen von beiden Seiten auf ihr Kind zu, wickeln Sie es immer von vorne, legen Sie das Kind beim Füttern mit der Flasche abwechselnd in den linken und in den rechten Arm, lassen Sie die Spieluhr nicht immer an dem gleichen Platz hängen - und sperren Sie ihr Kind nicht ein", rät Dr. Püst. Laufhilfen lehnt er entschieden ab. Am Ende des dritten Lebensmonats wird das Kind Interesse an seiner Umgebung zeigen, lächeln, lachen, zu greifen beginnen und Quietschlaute von sich geben. "Die Sinneswahrnehmung wird vielfältiger", sagt der Arzt. Nach einem Jahr sollten Kinder frei stehen und sich fortbewegen können; mit zwei Jahren laufen, Personen benennen, Zweiwortsätze beherrschen und einfache Aufforderungen befolgen. Mit dem vierten Geburtstag sollten sie richtig sprechen können und mit fünf Jahren sauber sein. "Ungefähr zehn Prozent der Kinder in diesem Alter machen noch ins Bett. Doch nur ein Bruchteil davon hat eine organische Erkrankung, die behandelt werden muss. Die meisten Kinder lernen mit liebevoller Zuwendung, manche auch mit einer Klingelhose, ihren Körper zu beherrschen", so Püst. Wenn allerdings eine halbseitige Lähmung, eine Muskelschwäche, Taubheit, eine Sprach- oder Sehstörung oder eine Spastik auffällt und die Entwicklung des Kindes bremst, muss das Kind behandelt werden. "Es ist sinnvoll, diese Kinder zur weiteren Therapie in die renommierten Zentren wie das Werner-Otto-Institut oder das Institut für Kindesentwicklung - Flehmig zu überweisen", betont Püst. Um die Entwicklungsstörungen frühzeitig zu erkennen, gibt es die neun Vorsorgeuntersuchungen. Zuverlässig wie ein Sieb, filtern diese die Kinder heraus, die medizinische Hilfe brauchen. "Die meisten Auffälligkeiten, die Eltern und Ärzte bei Kindern beobachten, deuten allerdings nur auf vorübergehende Entwicklungsverzögerungen und nicht auf Entwicklungsstörungen hin", beruhigt der Kinderarzt. Ob eine Entwicklungsverzögerung behandelt werden muss oder ob Eltern zu Hause ihrem Kind auf die Beine helfen können, muss der Kinderarzt in jedem Einzelfall sorgfältig prüfen. "In Zweifelsfällen sollten die Kinder bei motorischen Entwicklungsauffälligkeiten Physiotherapie bekommen", rät der Kinderarzt.