Reicht diese Durchsage, um Passagiere zu retten, die zusammenbrechen? Nein, meint ein Experte.

Das Risiko steigt mit der Größe: Bis zu 850 Passagiere passen je nach Ausstattung in den neuen Airbus A380. Mit der Zahl steigt die Gefahr, dass jemand an Bord zum medizinischen Notfall wird. So musste im August 2008 ein Airbus der Fluggesellschaft Emirates ungeplant in München landen. Die neunjährige Tayyaba war mit ihren Eltern auf dem Weg von Dubai nach New York, als es dem Kind schlecht ging. Ein zufällig mitreisender Arzt erkannte die Gefahr und empfahl einen Notfallstopp. Tayyaba wurde mit dem Hubschrauber in eine Klinik gebracht und starb kurz darauf. Das pakistanische Mädchen war schwer krank ins Flugzeug gebracht worden. Das Personal war nicht informiert.

Ein Einzelfall? Eher nicht. Vielflieger kennen den beunruhigenden Ausruf: "Wenn ein Arzt an Bord ist, wird er gebeten, sich beim Flugpersonal zu melden." Fluggesellschaften führen zwar Statistiken über medizinische Notfälle - aber viele halten sie unter Verschluss. 2008 sollen Lufthansa-Mitarbeiter 1676-mal an Bord Erste Hilfe geleistet haben - bei welchen Krankheiten, wird nicht gesagt. Bei Air Berlin heißt es, dass die Zahl der Notfälle unter 500 jährlich liege. Andere Gesellschaften machen keine Angaben.

Nun haben Wissenschaftler der Ruhr-Uni Bochum eine Studie vorgelegt, in der auch die Art des Notfalls beschrieben wird: "Wir haben 32 Gesellschaften befragt, nur vier hatten eine auswertbare Statistik, zwei haben mit uns zusammengearbeitet unter dem Versprechen der Anonymität", sagt Autor Michael Sand. 10 189 Notfälle wurden von den "zwei europäischen Fluggesellschaften" zwischen 2002 und 2007 erfasst. Die häufigste Diagnose: Synkope - Ohnmacht mit rund 50 Prozent aller Fälle. Wobei der Begriff nicht unterscheidet zwischen Sekunden-Ohmacht durch labilen Blutdruck und bedrohlicher Herzschwäche. Es folgen Magen-Darm-Erkrankungen, Schmerzzustände, Flugangst . Im letzten Drittel folgt: Tod. 20 Todesfälle wurden 2007 bei den beiden Airlines verzeichnet, 52 in sechs Jahren. Weltweit ist von jährlich bis zu 4000 an Bord Verstorbenen die Rede.

Viele Todesfälle wären vermeidbar. Wenn das Herz stillsteht (genauer: wenn die Herzkammern flimmern), könnten ausgebildete Laien das Herz per Stromstoß aus einem Defibrillator zum Schlagen bringen - wenn ein Stromschockgerät ("Defi") an Bord ist.

Seit 2004 ist in Flugzeugen, die die USA anfliegen, ein "Defi" Pflicht, in Europa nicht. Ebenfalls sinnvoll: eine Medizin-Hotline wie International SOS mit 24-Stunden-Dienst über Funk und Beratung von Anästhesisten, Chirurgen, Internisten.

Was fehlt, sind Ärzte an Bord. Die ködert die Lufthansa. Wer sich als Mediziner beim Check-in meldet, bekommt eine Meilenprämie und wird registriert. Im Notfall weiß die Crew, dass ein Experte da ist. Dann entfällt die beunruhigende Durchsage: "Ist ein Arzt an Bord?"