Denkaufgaben trainieren die grauen Zellen. Aber es bedarf einiges mehr, wenn man das Gehirn in Schwung halten will.

Sudoku, Kreuzworträtsel oder Dr. Kawashimas Gehirnjogging - mittlerweile gibt es ein ganze Fülle von Angeboten, die alle einen Zweck erfüllen sollen: das Gehirn fit halten, die Denkmaschine in unserem Kopf so richtig auf Trab bringen. Aber was kann man damit wirklich trainieren, und wie viel bringt es für das tägliche Leben, in dem das Gehirn viele unterschiedliche Aufgaben bewältigen muss?

"Denkspiele können sinnvoll sein, allerdings nur, wenn man auch Spaß daran hat, Um Sudokus lösen zu können, muss man rechnen, kombinieren, sich Zahlen merken. Das ist eine sinnvolle Übung und fordert das Gehirn, mehr als Kreuzworträtsel. Aber auch dabei muss man sich an Dinge erinnern, das richtige Wort finden", sagt Prof. Christian Büchel, Direktor des Instituts für systemische Neurowissenschaften am Universitätsklinikum Eppendorf.

Solche Aufgaben kann man bis zur Perfektion trainieren, aber um insgesamt geistig fit zu bleiben, sollte man sich breit gefächert betätigen. Denn wichtig ist, die allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit auf einem hohen Niveau zu halten, sich Dinge merken zu können, sich in Gesprächen an Vergangenes zu erinnern, Gesichter zu erkennen, geschichtliche Details zu erzählen, Denkvorgänge und Problemlösungen gut zu bewältigen, sodass man auch im höheren Alter beim Strategiespiel mit dem Enkel noch gut mithalten kann.

"Um möglichst viel Wissen aufzunehmen, ist Lesen sehr gut. Wichtig ist dann aber auch, mit anderen Menschen darüber zu reden. Dabei ist man gefordert, das Gelesene wiederzugeben, auf Nachfragen zu antworten, man muss die gelesenen Informationen in einen Zusammenhang stellen und Parallelen zu ähnlichen anderen Ereignissen aus der Vergangenheit ziehen", betont der Wissenschaftler.

Eine entscheidende Rolle für die geistige Fitness spielt der soziale Kontakt zu anderen Menschen, die ständige Stimulation durch neue Eindrücke.

Ein Kind ist wie ein unbeschriebenes Blatt, es ist in einem gewissen Alter sehr aktiv, erforscht aktiv seine Umgebung und hat in der Regel immer ein sehr stimulierendes Umfeld. Bei älteren Menschen hingegen ist oft das Problem, dass die Umgebung nicht mehr stimulierend ist. Mit zunehmendem Alter schränken körperliche Gebrechen die Mobilität immer mehr ein, sodass die Menschen immer seltener ihre Wohnung verlassen und kaum noch neue Eindrücke gewinnen. "Und wenn sie keine Möglichkeit mehr haben, in eine stimulierende Umgebung zu gelangen, nehmen auch die Auffassungsgabe und die Lernfähigkeit ab. Psychosoziale Vereinsamung trägt zur Reizverarmung bei", sagt Büchel.

Diese Zusammenhänge wurden bereits in großen Studien nachgewiesen. "Noch bis vor 15 Jahren hat man gedacht, dass Gehirnzellen sich zu Beginn des Lebens entwickeln und mit höherem Alter immer weniger werden und dass das Gehirn nicht in der Lage ist, neue Gehirnzellen zu bilden. Dann wurde in aufsehenerregenden Studien gezeigt, dass sich in gewissen Hirnarealen neue Gehirnzellen aus dort vorhandenen Stammzellen bilden. Und es zeigte sich auch, dass sich umso mehr Gehirnzellen neu bilden, je mehr Eindrücke das Gehirn verarbeiten muss", erklärt Büchel. Bei Versuchen mit Ratten hat man festgestellt: Wenn sie in einem Käfig mit einer ansprechenden Umgebung gehalten wurden, mit Laufrädchen und sozusagen einem ganzen Freizeitpark, entwickelten sich in diesem stimulierenden Umfeld in ihrem Gehirn deutlich mehr neue Nervenzellen als bei den Ratten, die in einem reizarmen, langweiligen Käfig gehalten wurden.

Und es gibt noch einen zweiten Weg, wie das Gehirn wachsen kann. Wer zum Beispiel eine neue handwerkliche Aufgabe erlernt, stellt fest, dass diese Arbeit ihm schon nach ein bis zwei Wochen wesentlich leichter von der Hand geht. Solche relativ kurzfristigen Veränderungen beruhen wahrscheinlich auf einer Intensivierung der bereits vorhandenen Verbindungen im Gehirn. "Das kann man sich vorstellen wie einen Pfad durch den Dschungel der Nervenzellen im Gehirn, die in einem Netzwerk miteinander verbunden sind. An diesem Pfad werden die Knotenpunkte, an denen die Nervenzellen miteinander verbunden sind, selektiv durch das Lernen dieser einen Tätigkeit stärker miteinander verknüpft. Diese Übertragungen zwischen Nervenzellen über sogenannte Synapsen lassen sich relativ schnell verstärken."

Zwar lernt man als junger Mensch bestimmte Dinge schneller, wie zum Beispiel eine Fremdsprache. Aber auch ältere Menschen können noch neue Aufgaben lernen, und das betrifft auch die motorischen Fähigkeiten. Erst vor Kurzem hat ein Kollege von Prof. Büchel, der Neurologieprofessor Arne May am UKE, in einer Studie gezeigt, dass bei älteren Menschen, die das Jonglieren erlernt haben, die graue Hirnsubstanz in einem bestimmten Bereich im hinteren Teil des Gehirns zugenommen hat.

Auch wenn man viel einzelne Fähigkeiten trainieren kann: Das beste Rezept für den Erhalt der geistigen und motorischen Leistungsfähigkeit ist es, voll am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.