Spezialisten in sieben mobilen Teams betreuen unheilbar Kranke in Hamburg. Doch ihr Einsatz wird oft nicht bezahlt - weil Verträge mit den Kassen fehlen.

Monika Clemens war 50 Jahre alt, als sie starb - zu Hause, wie sie es sich gewünscht hatte. In den letzten sieben Monaten wurde sie von einem ambulanten Palliativ- und Pflegeteam betreut: Hausarzt, Pflegekräfte, Apotheke und ein Palliativmediziner (Schmerzmediziner). Monika Rautenberg musste künstlich ernährt werden, brauchte eine Wundversorgung, ständig Schmerzmittel. Das Team des Pflegedienstes LichtBlick war stets in Rufbereitschaft, auch nachts. "Sie haben den ganzen Menschen bedacht, das ist Prinzip", sagt Peter Rautenberg. "Nichts wurde gegen den Willen meiner Frau gemacht."

Die Techniker Krankenkasse, bei der das Paar versichert ist, übernahm die Kosten. "Diese Kasse ist noch kulant und gesprächsbereit", sagt LichtBlick-Pflegedienstleiter Sven Goldbach. "Aber die Rufbereitschaft, die ja eine Einsatzbereitschaft ist, und die psychosoziale Betreuung hat sie nicht vergütet: Die lasse sich nicht zeitlich begrenzen, hieß es. Aber begrenzen Sie mal den Gesprächsbedarf einer 50-jährigen Sterbenden."

Monika Clemens starb in einer Übergangsphase. Seit April 2007 hat jeder gesetzlich Versicherte, der unheilbar erkrankt ist und große Schmerzen leidet, in der Endphase seines Lebens Anspruch auf eine palliativmedizinische Schmerzlinderung und Betreuung zu Hause. Diese "Spezialisierte ambulante Palliativversorgung" (SAPV) vernetzt Fachpflege, Palliativmedizin, psychosoziale Betreuung und Sterbebegleitung, etwa durch ehrenamtliche Hospizhelfer/innen. Sieben solcher Teams sind in Hamburg bereits aktiv.

Der Rechtsanspruch ist ein wichtiges Signal. "Die SAPV ist der Weg, mit dem man auch die Diskussion um die aktive Sterbehilfe zwar nicht ganz auflösen, aber entkräften kann. Studien haben gezeigt, dass der Wunsch nach aktiver Sterbehilfe umso geringer ist, je besser die Palliativversorgung ist", sagt Dr. Michael Wunder, Psychologe in der Evangelischen Stiftung Alsterdorf und ehemaliges Mitglied der Bundestags-Enquetekommission Ethik und Recht der modernen Medizin. "So könnte man zum Beispiel mit einer guten Schmerztherapie bei 95 Prozent der Patienten starke Schmerzen so deutlich lindern, dass sie erträglich sind", sagt Dr. Maja Falckenberg, Schmerztherapeutin in der Schmerzambulanz am Diakonie-Krankenhaus Alten Eichen.

Aber es gibt ein Problem: Die Krankenkassen haben mit den Anbietern der SAPV bisher keine Vergütungsverträge abgeschlossen. Sie übernehmen die entstehenden Kosten nur in Einzelfallentscheidungen - mal ganz, mal nur teilweise, mal gar nicht.

Beispielsweise genehmigte eine Kasse statt der verlangten Pflege-Tagespauschale von 175 Euro nur je 33 Euro pro SAPV-Pflegeeinsatz, berichtet Hans-Jürgen Rubarth, Geschäftsführer der Hauspflegestation Barmbek-Uhlenhorst. "In einem anderen Fall wollte die Kassen-Sachbearbeiterin erst einmal die Zeugnisse unserer Mitarbeiter prüfen. Manchmal haben wir das Gefühl, wir müssen da Nachhilfe geben."

"Die Kassen haben Probleme mit diesem neuen multiprofessionellen Leistungsangebot", sagt Sonja Schneider-Koch, Expertin der Diakonie. "Sie wollen noch mehr Bedenkzeit. Aber ohne Refinanzierung können wir das Angebot nicht so ausbauen, wie es nötig wäre." Zwar haben sich Kassen, Kliniken, Pflegedienste und Ärzte schon auf Richtlinien für die neuen Leistungen geeinigt. Aber jetzt geht es ums Geld.

Kirsten Jüttner vom Verband der Angestelltenkrankenkassen (VdAK) in Hamburg räumt ein, dass es "kompliziert" sei. "Es muss geklärt werden: Wer arbeitet in den ambulanten palliativen Netzwerken verbindlich mit wem zusammen?", sagt sie. "Die Netzwerke sehen aber sehr unterschiedlich aus. Wir wollen, dass geklärt wird: Wer ist Vertragspartner und verteilt die vereinbarte Vergütung - der Palliativmediziner oder der Pflegedienst, oder macht man getrennte Pauschalen für die ärztliche und die pflegerische Leistung? In welcher soll dann aber z. B. die gemeinsame Koordinationsleistung enthalten sein?"

Darf eine Gesetzesreform, die Millionen Menschen die Angst vor einem elenden Ende nimmt, erschwert werden durch die Frage "Wer bekommt die Wundversorgung oder den Infusionsschlauch vergütet?" Das Bundesgesundheitsministerium stellte 2008 für die SAPV-Versorgung 120 Millionen Euro zu Verfügung - die ohne Vergütungsverträge der Kassen nicht zum Patientenwohl eingesetzt werden.

Und wenn es Vergütungsverträge gibt: "Wir befürchten, dass uns atemberaubend schlechte Sätze angeboten werden, die nicht den wirklichen Kosten entsprechen", sagt der Koordinator eines Hamburger Palliativpflegedienstes. Geht es nach Dr. Michael Wunder und Dr. Maja Falckenberg, dann wäre eine feste Tagespauschale von 315 Euro angemessen, in der alle SAPV-Leistungen enthalten seien.

"Wir rechnen in Hamburg damit, dass mindestens 1800 Menschen pro Jahr eine palliative Versorgung brauchen. Davon könnten etwa 1000 zu Hause versorgt werden, wenn wir ein gutes ambulantes Versorgungssystem aufbauen, das deutlich über das bestehende hinausgeht, sowohl ärztlich, pflegerisch wie seelsorgerisch", sagt Dr. Falckenberg.

In Hamburg hat vor allem die Diakonie viel getan: An der Palliative Care Akademie bildet sie Pflegekräfte, Ärzte und Ehrenamtliche fort, baute Versorgungsteams auf und startete die Kampagne Zu Hause sterben .

Am Freitag richtete die Landesarbeitsgemeinschaft "Hospiz- und Palliativarbeit" (LAG) erneut einen dringlichen Appell an die Kassen, ihrem gesetzlichen Auftrag endlich nachzukommen. Zudem fordert die LAG von der Gesundheitsbehörde eine Anschubfinanzierung für SAPV-Angebote. "Die Behörde hat sich auf die stationären Angebote konzentriert", sagt Pflegedienstleiter Goldbach, "aber beim Aufbau der ambulanten Palliativpflege unterstützt sie uns nicht genug."