Ein neues Angebot in Hamburg: Jugendlichen, die nicht zur Beratung kommen, soll online geholfen werden. Für ihr Projekt suchen die Therapeuten noch Geldgeber.

Sie verbringen die Abende vor Spielautomaten oder am Roulettetisch, - immer in der Hoffnung auf den großen Gewinn, der nicht kommt, und wenn, wird er gleich wieder verspielt. Das Glücksspiel hat diese Menschen so fest im Griff, dass sie ihren finanziellen Ruin riskieren. "Etwa ein Prozent der erwachsenen Bevölkerung wird im Laufe des Lebens zu krankhaften Glücksspielern. Die Rate derer, die Probleme mit dem Spielen haben, wird auf ein bis drei Prozent geschätzt. Allerdings sucht nur ein Bruchteil professionelle Hilfe. 200 bis 250 Menschen pro Jahr gehen in Hamburg deswegen in eine Beratungsstelle", sagt Prof. Iver Hand, Leiter der Spielersprechstunde, die im Mai dieses Jahres vom Universitätsklinikum Eppendorf in das Zentrum "Verhaltenstherapie Falkenried" umgezogen ist.

Jetzt wollen die Therapeuten eine neue Behandlungsmöglichkeit für jene schaffen, für die der Gang in eine Beratungsstelle eine unüberwindbare Hürde ist - durch ein Angebot im Internet. 85 Prozent derjenigen, die Probleme mit dem Glücksspiel haben, wissen nicht, dass es effektive Beratung gibt, wollen nicht mit Alkoholikern oder Drogenabhängigen gleichgesetzt werden, nicht mit psychiatrisch Kranken. Sie verheimlichen ihr Problem und sind überzeugt, dass sie es allein in den Griff bekommen.

"Um diese Betroffenen zu erreichen, wollen wir eine verhaltenstherapeutisch orientierte Internetberatung einrichten. Das Programm wurde in Schweden entwickelt, ist dort wissenschaftlich untersucht worden und hat bei denen, die sich daran beteiligen, eine überraschend hohe Erfolgsquote", so Hand.

Dieses Angebot setzt zunächst am Glücksspielverhalten an und lässt die Möglichkeit, anonym in die Beratung einzusteigen. Die Teilnehmer müssen aber bereit sein, wöchentlich mitzuarbeiten. Sie werden im Internet aufgefordert, Fragebögen auszufüllen, Verhaltensempfehlungen zu lesen, zu überdenken und ein tägliches Protokoll über ihr Spielverhalten zu führen. Dieses Protokoll wird einmal in der Woche an die Zentralstelle geschickt, über die diese computerisierte Beratung erfolgt. Frühzeitig besteht die Möglichkeit, einen festen Therapeuten zugewiesen zu bekommen, mit dem der Betroffene einmal pro Woche bis zu einer halben Stunde telefonieren und über E-Mail kommunizieren kann, um das zu besprechen, was ihm in der Interaktion mit dem Programm nicht klar geworden ist. Zwar bleibt jedem überlassen, wann er die Anonymität aufgibt. Aber wenn er sich entscheidet, mit Therapeuten zu kommunizieren, sollte er sich zu erkennen geben.

Für die Umsetzung des Projekts fehlt noch das Geld. "Ich versuche seit über einem Jahr, Forschungsgelder einzuwerben, aber bisher ist mir das nicht gelungen. Wir wollen mit einem zwei Jahre dauernden Forschungsprojekt beginnen. Dafür würde die schwedische Version übersetzt und ins Internet gestellt. Wie viele Berater benötigt werden, hängt davon ab, wie gut die Internetseite akzeptiert wird. Solche Programme gibt es bisher in Schweden, Finnland, England und den Niederlanden."

Mit diesem Angebot wenden sich die Therapeuten vor allem an einen bestimmten Spielertyp, den Actionspieler, auf die das Glücksspiel eine enorme Faszination ausübt. Das geht so lange gut, solange die Spieler die Kontrolle behalten. Doch auch sie können in Lebenssituationen geraten, in denen die Leidenschaft aus dem Ruder läuft, zum Beispiel, wenn sie eine lange Pechsträhne - im Spiel oder im Alltagsleben - haben. Sie wollen dann die Verluste "um jeden Preis" wiedergewinnen und beginnen, unkontrolliert zu spielen. Sie machen existenziell bedrohliche Verluste, dadurch verschlechtert sich ihre Stimmung, sie geraten immer mehr unter Druck, die finanziellen Verluste auszugleichen, und verlieren immer mehr die Kontrolle. Oft kommt dann von Angehörigen oder Freunden die Aufforderung, sich in eine Therapie zu begeben.

Für die Actionspieler bietet die Spielersprechstunde jetzt auch eine neue Therapie an. "Bei diesen Actionspielern müssen wir vor allem darauf eingehen, welche Fehler sie beim Spielen machen, von welchen falschen Annahmen sie ausgehen, und ihnen helfen, dass sie die Kontrolle über das Spiel zurückgewinnen", sagt Hand. Dann gehe es auch darum zu entdecken, woran dieser Mensch ursprünglich mal Freude hatte und warum er diese Dinge nicht mehr macht. "Wir helfen ihm, im Alltagsleben das wieder aufzubauen." Die Spieler können an einer speziellen Gruppentherapie mit acht doppelstündigen Sitzungen teilnehmen, die nachgewiesenermaßen eine gute Wirksamkeit hat. Wer nicht in eine Gruppe gehen möchte, kann auch an einer Einzelberatung teilnehmen.

Das Programm wendet sich auch an sogenannte Vermeidungsspieler, die sich einer tiefer gehenden Therapie mit Ergründung der Ursachen nicht stellen wollen, sondern nur ihr Spielverhalten unter Kontrolle bekommen wollen. Vermeidungsspieler benutzen das Spielen, um sich von Problemen in der Ehe, Familie oder im Berufsleben abzulenken.


Weitere Informationen: Spielersprechstunde, Verhaltenstherapie Falkenried 7,Tel. 429 33 69-10 (Mo bis Mi) oder 0178/667 75 69 (Mo bis Fr).

Börsenspieler wenden sich direkt an Prof. Hand (Tel. 429 33 69 13).