In der deutschen Medizin gibt es derzeit einen bedrohlichen Engpass bei radioaktiven Arzneimitteln, den sogenannten Radionukliden. Sie werden...

In der deutschen Medizin gibt es derzeit einen bedrohlichen Engpass bei radioaktiven Arzneimitteln, den sogenannten Radionukliden. Sie werden dringend gebraucht bei der Therapie und der Diagnostik von Patienten, die an Krebs-, Schilddrüsen- oder bestimmten Herzerkrankungen leiden. Jede zweite Untersuchung auf bestimmte Krebs-, Schilddrüsen- und Herzerkrankungen wird derzeit verschoben, beklagt der Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner (BDN). Er hat kurzfristig einen Notfallplan entwickelt. Patienten erhalten auch im Internet Auskunft, welche Praxis in ihrer Nähe welche Untersuchung derzeit noch anbietet ( www.notfallplan.nuklearmedizin-life.de ). Der Plan soll garantieren, dass in jedem Notfall geholfen werden kann. UKE-Sprecherin Kathrin Herbst sieht in der Versorgungslage ein "ernst zu nehmendes Problem". "Doch im UKE müssen wir vorerst keine Untersuchungen absagen." In den Asklepios-Kliniken Hamburgs werden diagnostische Untersuchungen, die aufschiebbar sind, derzeit zurückgestellt, bestätigt Jens Bonnet. "Auch bei uns sind momentan die Diagnosemittel knapp." Nuklearmedizinische Praxen sind ebenfalls betroffen.

Wie konnte es zu dem Engpass kommen? Die radioaktiven Arzneien werden weltweit in nur fünf Reaktoren produziert. Drei sind aus unterschiedlichen Gründen derzeit nicht in Betrieb, zum Beispiel weil sie gewartet werden. Der Engpass soll in drei bis vier Wochen beseitigt sein.

Wegen der schnellen Verfallsdauer können die Medikamente nur schlecht bevorratet werden. Die Bestände werden gewöhnlich wöchentlich aufgefüllt. In erster Linie handelt es sich um Molybdän 99, das in Technetium 99m zerfällt. Das Isotop mit einer Halbwertzeit von nur sechs Stunden wird bei speziellen bildgebenden Verfahren ("Szintigrafie") eingesetzt, bei denen etwa Entzündungsherde entdeckt werden können.

Der Bundesverband der Nuklearmediziner sieht in diesem Zwischenfall "ein grundsätzliches Problem". Der BDN-Vorsitzende Prof. Jörg Mahlstedt fordert: "Ein derartiges Planungsdefizit muss für die Gesundheitspolitik einer wichtigen Industrienation ein Anlass sein, eigene, von anderen Nationen unabhängige Versorgungskonzepte anzustreben und zu realisieren."