“Wenn Körper und Seele leiden“ - unter diesem Motto fand kürzlich das 74. Hamburger Gesundheitsforum im Klinikum Eilbek statt. Eine Zusammenfassung.

Was sind psychosomatische Krankheiten?

Psychosomatik ist ein Kunstwort aus Psyche, der Seele, und Soma, dem Körper. Wir behandeln also Patienten, die körperlich und seelisch erkrankt sind. Das können beispielsweise Patienten sein, die eine Herzerkrankung haben und als Reaktion darauf seelische Beschwerden entwickeln. Zu uns kommen typischerweise auch Patienten mit unklaren körperlichen Symptomen, die sich mit ihren Beschwerden bei vielen Ärzten vorgestellt haben, ohne dass eine körperliche Ursache entdeckt wurde. Wir kümmern uns darüber hinaus um Patienten mit Essstörungen oder mit akuten Lebenskrisen. Schließlich therapieren wir Patienten mit Schmerzstörungen.


Prof. Bernd Löwe, Chefarzt der Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Die Besonderheit der Psychosomatik ist, dass wir nicht "entweder/oder" denken, sondern die Patienten biperspektivisch betrachten. Bei Rückenschmerzen würden wir sowohl an orthopädische als auch an psychische Ursachen denken.

Privatdozent (PD) Dr. Matthias Rose, Internist, Oberarzt


Wenn ich Bauch- oder Rückenschmerzen habe, wie können mir dann Psychologen helfen?

Erst einmal geht es darum zu schauen: Seit wann bestehen die Beschwerden? Was war unmittelbar, bevor diese Beschwerden aufgetreten sind? Welche Auswirkungen haben sie? Neben den sozialen und psychischen Komponenten spielt auch die genetische Disposition, also das, was man in die Wiege gelegt bekommt, eine Rolle. Wir gehen heutzutage von einem biopsychosozialen Krankheits- und Erklärungsmodell aus, und dementsprechend wählen wir auch die Therapie. Es geht darum herauszufinden, welche guten Erfahrungen habe ich mit Bewältigungsmöglichkeiten, welche Strategien kann ich reaktivieren.


Claudia Andersch, Psychologische Psychotherapeutin


Ein Freund von uns war 13 Wochen in Behandlung, doch er leidet immer noch. Was erwartet ihn, wenn er ins Klinikum Eilbek kommt?

Wenn ein Patient zu uns kommt, erfragen wir ausführlich die aktuelle Lebenssituation, besprechen die körperliche Situation. Dann fragen wir nach der Befindlichkeit, der Biografie, dem Beruf und dem sozialen Umfeld. Das dauert meist 50 bis 60 Minuten.


Dr. Nina Sauer, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Oberärztin


Bekommt man nach einer Aufnahme eine psychotherapeutische Behandlung?

Grundsätzlich erhalten alle Patienten bei uns psychotherapeutische Gespräche. Eine Psychotherapie, die so lange durchgeführt wird, bis alle Symptome beseitigt sind, können wir üblicherweise nicht anbieten. Die Patienten werden in der Regel dann entlassen, wenn sie ausreichend stabilisiert sind und eine Linderung der Beschwerden eingetreten ist. Wir unterstützen sie dabei, nach dem stationären Aufenthalt eine ambulante therapeutische Behandlung in Wohnortnähe zu bekommen.


Claudia Andersch


Welche Rolle spielt die Seele?

Seelische Faktoren wie Stress, Ängste, Depressionen spielen eine große Rolle für den Verlauf einer körperlichen Erkrankung, und sie beeinflussen das Risiko, dass Krankheiten, wie beispielsweise Herzinfarkte, auftreten. Die Auswirkungen auf den Verlauf einer körperlichen Krankheit werden dabei auf zwei Wegen vermittelt: Fühlt man sich seelisch nicht wohl, nimmt man die körperliche Erkrankung bedrohlicher wahr. Und es gibt Wechselwirkungen zwischen Seele und Körper, beispielsweise auf Basis der Hormone oder des autonomem Nervensystems. So erhöht offenbar eine Depression das Risiko, dass die Blutgefäße verkalken.


Prof. Bernd Löwe


Viele Schülerinnen mit Essstörungen oder auch Borderline wenden sich an mich. Was kann ich denen raten und wie entstehen diese Störungen?

Es sind unterschiedliche Gründe, die zur Ausbildung von Ess- oder Borderline-Störungen führen. Oft beruht eine Essstörung darauf, dass die Interaktion mit anderen Menschen gestört ist, dass Gefühle nicht ausgedrückt werden können. Wenn Menschen mit unbehandelten Ess- oder Borderline-Störungen zu Ihnen kommen, unterstützen Sie diese darin, eine professionelle Behandlung aufzunehmen.


Prof. Bernd Löwe


Mein Bruder ist Diabetiker und jetzt auch depressiv. Was kann ich tun?

Wir wissen, dass Diabetiker depressiver sind als die Normalbevölkerung, und dass Depressionen Diabetes verstärken. Raten Sie Ihrem Bruder, neben dem Diabetes auch die Depressionserkrankung konsequent behandeln zu lassen.


Dr. Carsten Spitzer, Facharzt für Psychiatrie, Oberarzt


Ich habe einen Suizidversuch überlebt, lag elf Wochen auf einer psychiatrischen Station eines Hamburger Krankenhauses. Wenn es noch einmal, was ich nicht hoffe, zum Notfall kommt, kann ich mich dann zu Ihnen einweisen lassen?

Zunächst einmal möchte ich Ihnen meinen Respekt zollen, dass Sie dieses sehr persönliche Thema so offen ansprechen. Leider kommt es immer wieder vor, dass verzweifelte und selbstmordgefährdete Patienten sich in der Institution, in die sie gebracht werden, nicht aufgehoben fühlen. Allerdings sind sie in ihrer akuten Krise dort richtig, denn ohne eine Behandlung und professionelle Hilfe werden sie ihre Krankheit nicht überwinden können. Nicht verhindern kann man, dass Patienten in Notsituationen in das zuständige Krankenhaus gebracht werden. Dr. Carsten Spitzer



Ich hatte vor zwölf Jahren eine Depression, und etzt kommt sie wieder. Gibt es Schübe?

Was Sie schildern, ist sehr typisch. Aus vielen Studien weiß man, dass etwa zwei Drittel der Patienten, die an einer Depression erkrankt sind, einen Rückfall erleiden. Wichtig ist, dass auch diese Episode schnell behandelt wird.


Dr. Carsten Spitzer


Was verursacht Weichteilrheuma?

Viele Patienten mit Schmerzen am Bewegungsapparat haben keinen körperlich auffälligen Untersuchungsbefund. Bei denjenigen, die zum Rheumatologen kommen und bei denen wir keine rheumatische Erkrankung feststellen, müssen wir uns fragen, ob Körper und Seele eine gemeinsame Schmerzursache darstellen. Die Ursachen von Weichteilrheuma können sowohl somatisch als auch psychisch sein.


Prof. Jürgen Wollenhaupt, internistischer Rheumatologe, Chefarzt


Was geschieht dann?

Aufbauend auf der Diagnostik der rheumatologischen Kollegen arbeiten wir mit psychotherapeutischen Verfahren und Spezialmethoden wie Sozial-, Bewegungs-, Kunst- oder Musiktherapie, um einen Zugang zum Schmerzempfinden des Patienten zu finden und ihm bei der Bewältigung seiner Schmerzen zu helfen. Prof. Bernd Löwe


Wenn wir medikamentös eingreifen müssen, wählen wir meist Antidepressiva. Keiner muss Schmerzen leiden.

Dr. Nina Sauer


Wie komme ich als normaler Patient in eine psychosomatische Abteilung?

Zwischen dem UKE und dem Klinikum Eilbek (Schön-Kliniken) besteht eine Kooperation. Es gibt uns also an beiden Standorten. Dort betreiben wir Ambulanzen für Patienten mit psychosomatischen und unklaren Beschwerden. In beiden Ambulanzen können sie sich beraten lassen. Sinnvoll ist es, vorher einen Termin zu vereinbaren und sich von einem Arzt einen Überweisungsschein für die Psychosomatik geben zu lassen. Stationär werden die Patienten im Klinikum Eilbek versorgt.


Prof. Bernd Löwe


Wie finde ich einen niedergelassenen Psychosomatiker?

Es gibt sehr gute Hausärzte, die psychosomatisch denken und in den meisten Fällen ja auch der erste Ansprechpartner sind. Es gibt auch sehr gute Gynäkologen und auch Fachärzte anderer Disziplinen. An Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sollte man sich wenden, wenn das nicht ausreicht.


Dr. Matthias Rose


Kann man psychosomatischen Krankheiten vorbeugen?

Man kann psychosomatischen Krankheiten vorbeugen, zum Beispiel indem man lernt, die eigenen Bedürfnisse und Belastungen genauer wahrzunehmen, Konflikte konstruktiv zu bewältigen und die Kommunikation mit wichtigen Bezugspersonen zu verbessern. Auch wenn psychosomatische Störungen schon entstanden sind, können wir heute in den meisten Fällen durch eine gezielte Behandlung gut helfen und dafür sorgen, dass die psychosomatischen Beschwerden nicht chronisch werden.


Dr. Nina Sauer


UKE, Tel. 428 03 39 93; Klinikum Eilbek, Tel. 20 92 72 01