Verlockend sehen sie aus - die Haushaltsreiniger, Frostschutzmittel und Giftpflanzen. Und die Verführung, die duftenden Stoffe zu schlucken, ist groß. Was sie verursachen, können gerade Kinder nicht abschätzen.

Das Spülmittel, das so schön nach Zitrone duftet, die bunten Pillen auf Mamas Nachtschrank, die aussehen wie leckere Bonbons - die Neugier kleiner Kinder ist groß. Leider auch die Versuchung, auszuprobieren, wie all diese Dinge schmecken. "Nach Schätzungen sind bei mindestens der Hälfte aller Vergiftungsfälle Kinder betroffen", sagt Dr. Hilke Andresen, forensische Toxikologin am Institut für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum Eppendorf. Besonders gefährdet sind Kinder zwischen zwei und fünf Jahren, ein Alter, in dem sie schon sehr mobil sind, aber noch das Verständnis dafür fehlt, was sie in den Mund nehmen dürfen und was nicht. Wirklich lebensbedrohliche Vergiftungen sind heute sehr selten. "Das liegt daran, dass die Kinder gut beaufsichtigt werden. Aber auch daran, dass sie meist keine großen Mengen von solchen Mitteln zu sich nehmen, weil sie schnell merken, dass sie nicht gut schmecken", sagt Andresen. Am häufigsten sind Vergiftungen mit Medikamenten, Haushaltschemikalien und Pflanzen. Eine große Gefahr, vor allem in dem Wintermonaten, sind Frostschutzmittel, die meist blau, gelb oder rosa eingefärbt sind. "Diese Mittel schmecken den Kindern, weil sie Glykole enthalten, die sehr süß sind. Aber diese Glykole können eine Übersäuerung des Blutes hervorrufen und zu Nierenversagen führen. Schon die Menge eines halben Wasserglases kann bei einem kleinen Kind diese gefährlichen Folgen haben", sagt die Toxikologin.

Trinkt das Kind Reinigungsmittel, können die darin enthaltenen Laugen Verätzungen hervorrufen. "Wenn die Kinder viel davon trinken, können sie Vernarbungen in der Speiseröhre zurückbehalten und dadurch Probleme beim Essen bekommen. Ist es nur ein kleiner Schluck, sind die Verätzungen meist auf den Mundraum begrenzt." Auch Medikamente sind für Kinder eine Verlockung, sei es der gut schmeckende Fiebersaft mit Paracetamol oder Opas Blutdruckpillen, die so schön bunt aussehen. "Die Dosis macht das Gift", sagt Andresen. Aber besonders gefährlich sind Schlafmittel und starke Schmerzmittel. "Sie können die Atmung des Kindes beeinträchtigen. Und wenn die Eltern das nicht rechtzeitig bemerken, kann das Kind ersticken." Dramatische Folgen kann es auch haben, wenn Kinder Zigaretten essen, was nach Andresens Erfahrungen ziemlich häufig vorkommt. "Durch das Nervengift Nikotin kann für ein kleines Kind schon eine halbe bis eine Zigarette tödlich sein." Garten und Balkon sollten Eltern kritisch auf giftige Pflanzen überprüfen. "Am giftigsten sind Goldregen, Eibe und Maiglöckchen. Weitere Giftpflanzen sind Fingerhut, Tollkirsche, Oleander, Efeu und Kirschlorbeer. "Bei den sehr giftigen Pflanzen wird es schon gefährlich, wenn das Kind nur ein bis zwei Blüten oder drei, vier Samen isst", sagt Andresen. Die meisten Giftpflanzen wie Oleander, Maiglöckchen Eibe oder Fingerhut enthalten Stoffe, die den Herzrhythmus stören. Das Atropin der Tollkirsche und das Gift des Goldregens können zu Krämpfen führen. Efeu enthält Saponine, seifenartig wirkende Substanzen, die vor allem Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall, Übelkeit und Erbrechen hervorrufen. "Störungen des Magen-Darm-Traktes sind fast immer die ersten Hinweise darauf, dass ein Kind sich an einer Giftpflanze ,vergriffen' hat", sagt Andresen.

Wenn Eltern den Verdacht haben, dass ihr Kinder etwas Giftiges gegessen oder getrunken hat, sollten sie zunächst herausfinden, um welche Substanz es sich handelt und um welche Menge. "Dann würde ich sofort die Giftinformationszentrale anrufen. Dort sitzen 24 Stunden am Tag Experten, die genau sagen können, was zu tun ist", rät Andresen. Auf Erste-Hilfe-Maßnahmen sollte man in solchen Fällen aber verzichten. Was Eltern auf keinen Fall tun sollten ist, bei ihrem Kind Erbrechen auslösen. "Das kann gefährlich sein, weil das Kind das Erbrochene in die Lunge bekommen kann. Man sollte dem Kind auch keine Milch zu trinken geben, um die Substanz zu neutralisieren. Denn Milch enthält Emulgatoren, die dann dazu führen können, dass das Gift noch besser aufgenommen wird. Wenn das Kind ins Krankenhaus muss, sollten Eltern es nicht selbst in die Klinik fahren, sondern immer einen Rettungswagen rufen, weil es hinten im Auto bewusstlos werden kann oder erbrechen muss." Hat das Kind große Mengen an Gift zu sich genommen, wird in der Klinik eine Magenspülung vorgenommen oder vom Arzt Erbrechen ausgelöst. "Das geht aber nur in innerhalb von etwa einer Stunde nach dem Unfall. Danach kann man nur die Symptome behandeln, die das Gift im Körper hervorruft. Meist wird das Kind dann über Nacht zur Beobachtung stationär aufgenommen.", erläutert Andresen. Um Giftunfällen vorzubeugen, sollten Eltern grundsätzlich alles, was zu Vergiftungen führen kann, außerhalb der Reichweite von Kindern aufbewahren, entweder in verschlossenen Medikamentenschränken, in Schränken und Schubladen, die mit Kindersicherungen versehen sind oder so weit oben im Regal, dass sie für Kinder nicht erreichbar sind.