Wie werden Erkrankungen der Nieren festgestellt, und wie kann man sie behandeln? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Veranstaltung im Universitätsklinikum Eppendorf.

Welche Aufgabe haben die Nieren?

Die Nieren produzieren am Tag etwa 180 Liter Urin. Davon nimmt die Niere in einem zweiten Schritt 99,5 Prozent zurück, sodass wir normalerweise etwa einen bis anderthalb Liter Urin am Tag ausscheiden. Die Niere ist das zentrale Organ in der Regulation des Salz- und Wasserhaushaltes und ist entscheidend für die Entgiftung. Zudem produziert sie Substanzen, die den Blutdruck steigern können, Vitamine, die für den Knochenaufbau wichtig sind, und das Hormon Erythropoetin, das für die Ausreifung roter Blutzellen verantwortlich ist. Prof. Rolf A. K. Stahl, Dekan und Direktor der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik (Nephrologie/ Rheumatologie mit Sektion Endokrinologie), UKE

Was bedeutet der Kreatininwert?

Die Hauptaufgabe der Niere ist die Entgiftung. Da man nicht alle Substanzen, die von der Niere aus dem Blut gefiltert werden, messen kann, gibt es Indikatorsubstanzen. Dazu gehört der Kreatininwert, an dem man ablesen kann, ob die Niere gut arbeitet oder die Nierenfunktion eingeschränkt ist. Normal sind Kreatininwerte um eins. Wenn er auf anderthalb ansteigt, geht man davon aus, dass die Nierenfunktion sich schon halbiert hat. Prof. Hartwig Huland, Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie, UKE

Wie entstehen Nierensteine?

Es fängt meist mit Schleimgebilden an, die sich oft in den Nierenkelchen bilden. Wenn dann zum Beispiel entsprechend viel Kalzium ausgeschieden wird, bildet sich langsam ein Stein. Es gibt verschiedene Substanzen, die im Nierenbecken ausfällen und einen Stein bilden können. Dafür, ob Menschen Steine bekommen oder nicht, spielen auch genetische Einflüsse und die Ernährung eine Rolle. Privatdozent Dr. Hans Heinzer, Leitender Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Urologie

Müssen Nierensteine entfernt werden?

Generell gibt es zwei gute Gründe, eine Behandlung zu empfehlen: Wenn die Steine in der Niere sehr klein sind, können sie sich lösen und in den Harnleiter übertreten, wo sie furchtbare Schmerzen machen, die sogenannte Nierenkolik. Außerdem werden Steine, wenn sie nicht behandelt werden, im Allgemeinen größer und können dadurch dann an der Niere Schäden verursachen. Deshalb wird empfohlen, die Steine durch eine Zertrümmerung zu zerstören. Prof. Huland

Wie funktioniert eine Steinzertrümmerung?

Viele Steine kann man, ohne den Patienten zu berühren, durch eine extrakorporale Stoßwellenlithotrypsie (ESWL) zerstören. Dabei erzeugt eine Maschine von außen Stoßwellen, die so auf die Steine gerichtet sind, dass sie nur dort ihre Energie entladen. Dadurch werden die Steine zertrümmert. Die Trümmer gehen dann auf dem normalen Harnweg ab. Prof. Huland

Was ist unter einer sogenannten Schiene zu verstehen?

Das ist ein Drainagesystem, ein feiner Plastikschlauch, der durch eine Blasenspiegelung eingelegt wird und von der Blase bis ins Nierenbecken reicht. Dadurch können Urin und Steinkrümel problemlos abfließen, ohne dass es zu Koliken kommt. Eine solche Schiene wird eingelegt, wenn ein Patient relativ viele Steine hat oder große Steine, bei denen nach der Zertrümmerung viel Material abfließen muss. Wenn alle Steinkrümel abgegangen sind, wird die Schiene entfernt. Dr. Heinzer

Welche Voraussetzungen muss man für eine Nierentransplantation erfüllen?

Grundsätzlich kommt jeder in Frage, der eine neue Niere braucht. Aber je gesünder der Empfänger ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die neue Niere gut angehen wird. Es gibt einige Ausschlusskriterien, wie zum Beispiel einer schwere Herzoder Gefäßerkrankung. Aber grundsätzlich ist es so, dass alle Patienten auf diese Warteliste kommen oder eine Lebendspende in Erwägung ziehen können, egal wie alt sie sind oder welche Grunderkrankung sie haben. Privatdozent Dr. Andre Schneider, Oberarzt der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik (Nephrologie/Rheumatologie mit Sektion Endokrinologie)

Wie lange muss man heute auf eine neue Niere warten?

Die Wartezeit beträgt normalerweise auf der Liste im Augenblick im statistischen Durchschnitt sechs bis sieben Jahre. Dafür gibt es einen Verbund in Europa, um die Spenderorgane möglichst gerecht zu verteilen. Ein Ausweg aus dieser Situation kann eine Lebendspende sein. Im Augenblick haben wir hauptsächlich Verwandtenspenden. Es müssen aber nicht Blutsverwandte sein. Man kann auch zwischen Partnern oder Freunden Nieren spenden. Problematisch ist es manchmal, dass man jemandem gern eine Niere geben möchte, aber die Blutgruppen nicht gut zusammenpassen. Dann gibt es die Möglichkeit, dass man versucht, zwei Paare zusammenzubringen, bei denen ein Partner dem anderen eine Niere spenden möchte, aber die Blutgruppen nicht zusammenpassen, aber eine Lebendspende sozusagen überkreuz möglich ist. Dr. Schneider

Während der Wartezeit auf eine neue Niere sind viele Menschen auf die Dialyse angewiesen. Was bedeutet das für den Patienten?

Die Verfahren sind mittlerweile so gut ausgereift, dass wir heute Patienten haben, die seit 15 Jahren gut mit der Dialyse leben können. Man muss aber dreimal die Woche für mindestens drei bis vier Stunden an die Dialyse, sodass die Lebensqualität dieser Patienten schon durch diese Zeit, die sie an der Dialyse verbringen müssen, erheblich eingeschränkt ist. Dr. Schneider

Wann ist überhaupt eine Dialyse nötig?

Mit der Dialyse sollte begonnen werden, bevor es durch die eingeschränkte Nierenfunktion zu schweren Vergiftungserscheinungen kommt. Es gibt eine ganze Reihe von Symptomen, an denen sich ein solche Vergiftung zeigen kann, zum Beispiel dass man nichts mehr essen mag, sich häufig übergeben muss oder Herzrhythmusstörungen bekommt. Durch regelmäßige Blutkontrollen können wir das Risiko solcher Vergiftungserscheinungen erkennen. Dr. Schneider

Wie hoch ist das Risiko für Diabetiker, eine Nierenerkrankung zu bekommen?

Etwa 20 Prozent aller Typ-2- Diabetiker bekommen eine Nierenerkrankung.Wenn man sie nicht frühzeitig behandelt, verlieren viele endgültig ihre Nierenfunktion. Für uns sind die Typ-2-Diabetiker heute die Patientengruppe, die fast 50 Prozent aller Dialysepatienten ausmachen. Prof. Stahl

Welche Auswirkungen auf die Niere hat ein zu hoher Blutdruck?

Die Niere ist aus vielen kleinen Gefäßen aufgebaut, in denen normalerweise ein relativ niedriger Druck herrscht.Wenn der Blutdruck ansteigt, kommt es zu einer verstärkten Druckwirkung in diesen zarten Gefäßen, die Gefäßwände werden immer dicker und gehen letztendlich zugrunde. Das heißt: Bluthochdruck zerstört Nierengefäße und kann dadurch zum Funktionsverlust führen. Umgekehrt spielt die Niere die zentrale Rolle im Salz- undWasserhaushalt und damit auch für den Blutdruck. Wenn die Niere gestört ist und ihre Regulationsfunktion nicht mehr erfüllen kann, entwickelt sich ein hoher Blutdruck. Prof. Stahl

Wie wahrscheinlich ist es bei Krebs, dass auch die andere Niere befallen wird?

Das kann nicht ausgeschlossen werden. Wir schätzen, dass in drei bis fünf Prozent der Fälle auch an der anderen Niere ein solcher Tumor auftreten kann. Aber jemand, der einen Nierenkrebs gehabt hat, wird in der Tumornachsorge betreut. Durch die moderne Bildgebung kann man dann nicht nur das Gebiet, wo die kranke Niere entfernt wurde, sondern auch die gesunde Niere beurteilen. Sollte sich dann dort ein Tumor entwickeln, kann man ihn so früh entdecken, dass man ihn entfernen und die Niere dabei erhalten kann. Prof. Huland

Welche Möglichkeiten in der Früherkennung von Nierenschäden gibt es?

Die einfachste Möglichkeit ist die Untersuchung des Urins mit einem Teststreifen und eine mikroskopische Untersuchung. Das dauert nicht länger als fünf Minuten, und man hat dann einen Anhalt, ob eine Nierenschädigung vorhanden ist. Das Zweite ist eine Ultraschalluntersuchung, mit der man schnell und einfach feststellen kann, ob die Nieren normal groß sind oder ob sie Zysten oder tumoröse Veränderungen enthalten. Wichtig in der Diagnostik ist auch die Messung des Blutdrucks. Prof. Stahl Zusammenfassung: CORNELIA WERNER