Körperfunktionen: Das rechte Maß trägt zur Gesundheit bei. Körperfett hat einen schlechten Ruf. Dabei ist das Gewebe an der Produktion lebenswichtiger Substanzen beteiligt. Ein Hamburger Experte erklärt die Zusammenhänge.

Zu viel Fett ist ungesund, aber ohne Körperfett wären wir krank. So sterben sehr dünne wie sehr dicke Menschen statistisch gesehen früher. "Fettgewebe ist ein Organ, das nicht nur träge darliegt. Vielmehr produzieren Fettzellen auch wichtige Hormone und Botenstoffe, sogenannte Adipokine, wie beispielsweise Leptin oder Interleukin-6, das bei Immunreaktionen eine Rolle spielt", sagt Prof. Christoph M. Bamberger, Direktor des Medizinischen PräventionsCentrum Hamburg (MPCH) am Universtitätsklinikum Eppendorf (UKE). Auch Vorstufen des Östrogens werden im Fettgewebe zu Östrogen umgewandelt. Dieses Gewebe des Menschen ist schätzungsweise an der Produktion von 100 Substanzen beteiligt, es beeinflusst Immun- und Hormonsystem - und ständig entdecken die Mediziner Neues.

"Wir müssen das Fettgewebe differenziert betrachten", sagt Prof. Bamberger. Fettzellen, die unter der Haut liegen, haben eine andere Funktion im Körper als die Zellen, die sich im Bauchraum, der Leber oder zwischen den Muskeln ausbreiten. Dieses viszerale Fett kann zur Gesundheit beitragen - doch wenn es zu viel wird, macht es krank.

So stimuliert beispielsweise Interleukin-6 die Abwehrreaktion des Körpers. Ist aber zu viel Bauchfett vorhanden, wird auch zu viel Interleukin-6 gebildet - und dann greift es die Gefäße an. Die Folge kann eine Verkalkung der Arterien, die Arteriosklerose, sein.

Das Adipokin mit der höchsten Konzentration im Körper heißt Adiponektin. "Zunächst einmal schützt Adiponektin vor Diabetes, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Aber je mehr Bauchfett sich ansammelt, je mehr Fett also in die Zellen eingelagert wird, desto weniger Adiponektin produzieren diese Fettzellen. Damit sinkt die Schutzwirkung dieses Botenstoffs", so Prof. Bamberger. Deshalb tragen große Fettzellen nicht zur Gesunderhaltung bei.

Und das ist noch nicht alles. Unter Stress, wenn viel Adrenalin im Körper kreist, setzen diese großen Fettzellen rasant schnell Fettsäuren frei. Was in Urzeiten sinnvoll gewesen ist, damit der Mensch schnell viel Energie hatte, um wegzulaufen, endet jetzt fatal. Weil der Körper mit aller Macht verhindern will, dass noch mehr Fettsäuren ins Blut gelangen, klettert nun auch der Blutzuckerspiegel in die Höhe. Die Folge: Die Sensitivität der Zellen auf Insulin sinkt. Muss der Körper häufiger zu diesen drastischen Maßnahmen greifen, reagieren die Zellen irgendwann gar nicht mehr auf Insulin, und der Zucker- und Fettstoffwechsel ist grundlegend gestört. Beide Störungen treten beim metabolischen Syndrom auf, das durch Bluthochdruck, erhöhte Blutzucker- und Blutfettwerte sowie ein bauchbetontes Übergewicht gekennzeichnet ist. Dieses "Tödliche Quartett" kann Arteriosklerose auslösen, die zu Schlaganfall und Herzinfarkt führen kann. "Drastisch formuliert: Bauchfett macht ein metabolisches Syndrom. Die Erforschung dieser Regulation, über die wir noch nicht viel wissen, ist daher sehr wichtig", betont Prof. Bamberger.

Eines allerdings wissen die Mediziner genau: Bewegung ist ideal, um die gesunderhaltende Funktion des Körperfetts zu stabilisieren. Es gab eine Studie, berichtet Prof. Bamberger, in der Studenten in zwei Gruppen aufgeteilt wurden. Die eine Gruppe aß 14 Tage lang jeden Tag 800 Kalorien zu viel, die andere Gruppe nahm während des gleichen Zeitraums täglich sogar 1600 Kalorien zu viel zu sich. "Aber diese Teilnehmer mussten sich so viel bewegen, dass sie 800 Kalorien wieder verbrannten. Somit war unter dem Strich die Energiebilanz gleich - aber die Wirkung war grundverschieden", so Prof. Bamberger. Blutwerte, die Aufschluss über das Diabetes-Risiko geben, zeigten: Die erste Gruppe stand deutlich schlechter da als die zweite.

"Bewegung ist, das zeigt auch diese Studie, der entscheidende Faktor, um gesund zu bleiben", betont der Präventionsmediziner. Medikamente können nur eingeschränkt helfen. Zwar werde demnächst ein neues Medikament ("Rimonabant") auf den Markt kommen, das Patienten hilft, die unter einer echten Adipositas leiden. "Aber die gesundheitlichen Probleme entstehen früher, und denen kann man nur begegnen, wenn man sich viel bewegt."

Der konkrete Rat lautet: Dreimal wöchentlich für 30 Minuten Ausdauertraining zu machen - egal ob auf dem Fahrrad, zu Fuß, im Schwimmbad oder auch im Ruderboot. "Bauchfett ist eine Dreckschleuder, die Giftmüll produziert", stellt Prof. Bamberger klar. Wer den Anteil an Bauchfett senken will, sollte also nicht nur auf eine kalorienarme Ernährung setzen.