Transplantation: Mediziner fordert, Organe nur noch an spendebereite Patienten zu vergeben - und löst heftige Reaktionen aus.

Mit drastischen Maßnahmen wollen Internisten die Organspendebereitschaft in Deutschland erhöhen. "Wer sich nicht für eine Spende entscheidet, sollte einen Nachteil als Empfänger haben", sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), Prof. Manfred Weber. Er forderte, die Bürger alle fünf Jahre mit der Frage zu konfrontieren, ob sie für eine Organspende bereitstünden. Ein Vermerk könne bei der Verlängerung des Personalausweises aufgenommen werden. Wer Nein sagt, scheide als Organempfänger aus.

Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) warten bundesweit 12 000 Menschen auf ein Spenderorgan. Im Jahr 2004 gab es nur 1081 Organspender. Nach einer Umfrage der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung haben nur zwölf Prozent der Deutschen einen Organspendeausweis, aber 68 Prozent sind bereit, nach ihrem Tod Organe zu spenden.

Zum Vorschlag von Prof. Weber sagte Heiner Smit, Bevollmächtigter des Vorstands der DSO: "Bei allem Verständnis für die Sorge von Prof. Weber um seine Patienten ist er mit seiner Forderung über das Ziel hinausgeschossen. Einen Zwang zur Organspende sieht das Transplantationsgesetz nicht vor und motiviert die Menschen nicht zur Spende." Andererseits würden jeden Tag drei Patienten sterben, die auf ein Organ warten. "Wir könnten mehr Patienten retten, wenn sich mehr Menschen für eine Organspende entscheiden würden", sagte Smit.

Prof. Xavier Rogiers, ärztlicher Leiter des Transplantationszentrums am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), meinte, man sollte über den Vorschlag von Prof. Weber ernsthaft nachdenken und damit eine gesellschaftliche Diskussion anregen. Zudem müßte man auch die Frage stellen: "Ist es akzeptabel, in gesunden Zeiten eine Organspende zu verweigern und dann, wenn man krank ist, eine Transplantation in Anspruch zu nehmen?"

Dr. Michael Reusch, Präsident der Hamburger Ärztekammer, lehnt den Vorschlag ab: "Das wäre nur eine andere Form des Tauschhandels und ethisch nicht vertretbar. Eine solche Regelung ist auch praktisch nicht durchsetzbar: man denke an Kinder, die Organe empfangen, und deren Eltern, die sich auf die spätere Verfügbarkeit der Organe des Kindes verpflichten müßten. Ich werte diesen Vorstoß als nicht ernst gemeinten, bewußt provokativen und verzweifelten Versuch, die Spendebereitschaft zu erhöhen. Mein Appell an die Hamburger: Entscheiden Sie sich freiwillig für die Spende und füllen einen Organspendeausweis aus!"

Dr. Fabian Peterson, Pressesprecher der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft, sagte: "Ich begrüße, daß mit dem Vorschlag auf den dramatischen Mangel an Spendeorganen aufmerksam gemacht wird. Doch ein solches ,Klubmodell' schließt Menschen generell als Organempfänger aus und ist wohl verfassungswidrig. Allenfalls könnte über das sogenannte ,Solidarmodell' in Form einer Besserstellung von erwachsenen Patienten auf der Warteliste nachgedacht werden, wenn sie bereits einen Spendeausweis besaßen, bevor sie auf ein Organ angewiesen waren. Die beste Lösung bleibt aber, wenn die in Umfragen ermittelten vielen Befürworter der Organspende alle auch einen Spendeausweis ausfüllen."

Auf mehr Aufklärung setzt auch Prof. Hermann Reichenspurner, ärztlicher Leiter des Herzzentrums am UKE. Er findet den Vorschlag fragwürdig, "weil er einer Bestrafung gleichkommen würde". Denkbar wäre seiner Meinung nach auch die Widerspruchslösung, wie sie in Belgien und Österreich praktiziert wird. Das heißt, daß grundsätzlich eine Organspende bei Verstorbenen in Frage kommt, es sei denn, die Person hat zu Lebzeiten widersprochen oder die Angehörigen widersprechen. Sicherlich seien die Zahlen katastrophal. Es gebe Länder, in denen die Zahl der Organspenden mehr als dreimal so hoch sei wie in Deutschland - etwa Spanien. Dort werde eine gezielte Aufklärungsarbeit geleistet.

Eine Mitverantwortung der Kliniken für den Mangel an Spenderorganen sieht auch die DGIM. Nur wenn sich Mediziner in den Krankenhäusern um potentielle Organspender kümmerten, sei Deutschland in der Lage, genügend Spenderorgane bereitzustellen, sagte Prof. Hans-Peter Schuster, Generalsekretär der DGIM. Wenn jedes Krankenhaus pro Jahr nur zwei Organe zur Verfügung stelle, "wäre die Warteliste sofort weg".