Änderung: Mit neuen Richtlinien zum 1. April zahlen die Kassen einige Leistungen für Schmerzpatienten nicht mehr. Die Ärzte wehren sich.

Schmerzen können unerträglich sein: wenn sie bohren, stechen, brennen, zerren oder ziehen, wenn sie Körper und Seele schinden. Meist haben sie eine Warnfunktion und können als Symptom behandelt werden, bevor sie verschwinden. Aber nicht immer. Bis zu 15 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter chronischen Schmerzen, bei ein bis zwei Millionen - vor allem weiblichen Patienten - lautet die Diagnose sogar: Schmerzkrankheit. Das bedeutet: Die Schmerzen sind die Krankheit.

Weil die Schmerztherapie in der Arztausbildung unterschlagen wird, erkennen viele Ärzte die Schmerzkrankheit jedoch nicht oder erst spät. "So haben die Betroffenen häufig eine über zehnjährige ,Arztkarriere' hinter sich, sind vielfach schmerzmittelabhängig und suizidgefährdet, wenn sie zu uns in die Behandlung kommen", sagt Dr. Dietrich Jungck, einer von 15 (algesiologisch) qualifizierten Therapeuten in Hamburg und Präsident des Verbandes Deutscher Ärzte für Algesiologie.

Schmerzkranke benötigen eine besondere Versorgung durch qualifizierte Ärzte. Bundeseinheitliche Qualitätsstandards, gültig für alle Versicherten, gab es nicht. Abhilfe soll die "Qualitätssicherungsvereinbarung Schmerztherapie" schaffen, auf die sich kürzlich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Spitzenverbände aller gesetzlichen Krankenkassen verständigt haben. Geplant ist, daß sie zeitgleich mit den neuen Leistungsverzeichnissen für gesetzlich Versicherte, kurz EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab) genannt, am 1. April in Kraft tritt.

"Sollte dies geschehen, wäre das das Aus für eine hochwertige Behandlung", kritisiert Jungck. Auch die Präsidentin der Schmerzliga, Dr. Marianne Koch, spricht von einer drohenden "Katastrophe für die Schmerzpatienten". Denn zahlreiche Leistungen, die fester Bestandteil einer qualifizierten Schmerztherapie sind, wurden in den "EBM 2000plus" nicht mit aufgenommen. Das darf dann nicht mehr abgerechnet werden: Einsatz, Auswertung, Dokumentation von Schmerzfragebögen, Schmerztagebüchern und Schmerzkalendern sowie psychologische und körperliche Untersuchungen, Entzugsbehandlungen, Gespräche und Schulung von Schmerzkranken, Beratungen mit anderen Ärzten und Schmerzkonferenzen. Die Krankenkassen waren nicht bereit, für diese Therapiemaßnahmen zu bezahlen.

"Zudem soll die Dauer der Behandlung zwei Jahre nicht überschreiten", kritisiert Jungck. "Das ist nicht gerechtfertigt." Immerhin litten diese Menschen unter einem oft lebenslangen Leiden. Einem Diabetiker oder Herzkranken würde die Therapie auch nicht zeitlich begrenzt.

Weiterer Kritikpunkt: Viele ärztliche Leistungen sollen gebündelt und pauschal honoriert werden. "Gleichzeitig wird das Gesamthonorar der Schmerztherapeuten um rund 40 Prozent reduziert", sagt Jungck. Er schätzt, daß die Ärzte pro Patient zwischen 20 und 40 Euro draufzahlen müßten. "Ich kann mir vorstellen, daß sich viele der 13 schmerztherapeutischen Praxen in Hamburg dann nicht halten werden", so Jungck weiter.

Laut Schmerzliga können schon jetzt nur 20 Prozent der Schmerzpatienten angemessen versorgt werden. Sollten Anlaufstellen wegfallen, würde sich ihre Versorgung weiter verschlechtern. Allein Jungck hat in über 80 Briefen Vorschläge zur Verbesserung der Neuregelung gemacht. Antwort erhielt er nicht. "Die KBV und die Krankenkassen scheinen völlig beratungsresistent. Sie zeigen keinerlei Interesse an den Beiträgen fachkompetenter Ärzte", so Jungck.

Die Schmerztherapeuten anderer Bundesländer haben beschlossen, den Vereinbarungen nicht beizutreten. Jungck: "Wir werden bis zum letzten Tag mit unseren Patienten gegen die Neufassung kämpfen." Dieter Bollmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hamburg, sieht sogar eine Chance, an dem Regelwerk nachzubessern: "Vielleicht gibt es diese Woche noch eine Zusatzregelung für die Schmerztherapeuten."