Unfälle oder große Operationen können schweren Stress auslösen. Um den Patienten das zu ersparen, werden sie in Tiefschlaf versetzt.

Erst Dieter Althaus, jetzt Monica Lierhaus - Mediziner legten beide in ein künstliches Koma. "Diese Behandlungsmethode wird nach einem schweren Unfall oder bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung eingesetzt, um den Körper des Patienten zu entlasten", erläutert Privatdozent (PD) Oliver Detsch. Der Anästhesist und Intensivmediziner ist Ärztlicher Direktor der Asklepios-Klinik Nord. Bei schweren Krankheiten oder Verletzungen reagiert der Körper oft panisch, es schrillen sozusagen alle Alarmglocken auf einmal. Der Patient gerät unter schweren Stress, die körpereigenen Rettungssysteme werden überfordert, sein Gesundheitszustand verschlechtert sich noch weiter. Das führt manchmal dazu, dass die Erkrankten spontan in ein Koma, einen tiefen, festen Schlaf wie die Übersetzung aus dem Griechischen lautet, fallen. Eine Schutzreaktion des Körpers, ein künstliches Koma erfüllt die gleiche Aufgabe.

Im Unterschied zum natürlichen Koma kann das künstliche Koma allerdings jederzeit beendet werden. "Denn es wird medikamentös eingeleitet und durchgeführt und kann daher genau gesteuert werden", sagt Prof. Uwe Kehler, Chefarzt der Abteilung für Neurochirurgie an der Asklepios-Klinik Altona.

Das künstliche Koma ist eine Langzeitnarkose. "Sie wird, wie jede andere Vollnarkose auch, durch ein Medikament eingeleitet. Zudem erhalten die Patienten Schmerzmittel", erläutert Dr. Oliver Detsch. Während des künstlichen Komas wird der Patient auf der Intensivstation künstlich beatmet, seine Körperfunktionen wie Herzfrequenz, Blutdruck und Körpertemperatur werden kontinuierlich überwacht. Herz, Leber, Darm oder auch Niere arbeiten bei Patienten, die im künstlichen Koma liegen, in der Regel selbsttätig weiter.

Praktisch erhält der Patient über eine intravenöse Dauerkanüle eine Infusion, Spritzenpumpen leiten die Narkose- und Schmerzmittel in den Körper des Patienten ein. Ernährt wird er durch eine Magensonde oder intravenös über Infusionen.

Die Tiefe der Narkose, die bei einem künstlichen Koma meist geringer ist als bei einer Vollnarkose, wird ständig überprüft. "Die Narkose muss nur so stark sein, dass die Patienten die Beatmung tolerieren, ohne zu husten, ihr Blutdruck stabil bleibt, und sie nicht zu wach werden", so Dr. Detsch. "Im tiefen künstlichen Koma ist die Wahrnehmung ausgeschaltet", ergänzt Prof. Kehler.

Bei neurologischen Erkrankungen also Erkrankungen des Gehirns, "möchte man mit dem künstlichen Koma das Gehirn vor zusätzlichem Stress schützen. Man versucht, durch eine Reduktion des Gehirnstoffwechsels den sekundären Schaden am Gehirn zu verringern, sodass das Gehirn auch eine Sauerstoffunterversorgung besser tolerieren kann", sagt Neurochirurg Kehler. Es gibt aber noch mehr Gründe, warum die Ärzte zu dieser Behandlungsmethode greifen. Sie helfen damit Patienten, die eine schwere Schädel-Hirn-Verletzung haben, bei denen die Lungenfunktion infolge eines Unfalls oder einer Entzündung ausfällt, die sich nach einer großen Herz- oder Gehirnoperation erholen sollen oder die einen Herzinfarkt erlitten haben. Auch Patienten mit Verbrennungen werden häufig in ein künstliches Koma gelegt, "selbst wenn sie noch selber atmen könnten, erleichtert diese Maßnahme eine intensive Schmerztherapie", sagt Detsch.

Das künstliche Koma schadet dem Patienten nicht. Vielmehr sind die Risiken sehr gering. Mögliche Komplikationen sind eine Schwächung des Immunsystems und Blutdruckregulationsstörungen. Die Langzeitnarkose wird auch nur dann eingeleitet, wenn der Nutzen höher ist als das Risiko, darin sind sich die Mediziner einig.

Ein künstliches Koma können die Mediziner von wenigen Stunden bis zu einem Monat aufrechterhalten, eben so lange, wie es der Patient braucht, es die klinische Situation erfordert.

Wenn es beendet werden soll, werden die Medikamente in der Regel schrittweise reduziert, sodass der Patient langsam aufwacht. Wie lange das dauert, hängt letztendlich davon ab, wie gut der Körper des Patienten die Medikamente abbaut und welche Substanzen die Ärzte für die Langzeitnarkose eingesetzt haben.