Jedes Jahr werden in Deutschland 100 000 Patienten am Herzen operiert. Schonende Eingriffe an den Herzklappen nehmen dabei deutlich zu.

Deutliche Fortschritte gibt es bei der Züchtung von Herzklappen und Herzgewebe, um abgestorbene Herzmuskelbereiche nach einem Herzinfarkt zu ersetzen", berichtet Prof. Hermann Reichenspurner. Der Direktor des Universitären Herzzentrums am UKE hat für das Abendblatt die wichtigsten Ergebnisse der 38. Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie, die vor Kurzem in Stuttgart stattfand, zusammengefasst.

"Die großen Erwartungen, die wir in die Stammzellforschung gesetzt haben, haben sich bis jetzt nicht erfüllt", sagt der Herzchirurg. Das Problem ist, dass die adulten Stammzellen, die aus dem Gewebe von Erwachsenen gewonnen werden, nicht so wandlungsfähig sind wie die embryonalen Stammzellen. Bei Letzteren ist es auch schwierig, die Entwicklung dieser Zellen hin zu einem bestimmten Gewebe vollständig zu kontrollieren, sodass die Gefahr besteht, dass sich daraus bösartige Tumore entwickeln können.

Vorgestellt wurde auf der Tagung, auf der Vertreter aller 79 herzchirurgischen Kliniken in Deutschland zusammenkamen, auch die Leistungsstatistik der Fachgesellschaft für das vergangene Jahr. "Die Zahl der Herzoperationen bleibt mit ungefähr 100 000 pro Jahr weitgehend konstant", sagt Reichenspurner. Allerdings zeige sich, dass die Zahl der Bypassoperationen in den vergangenen Jahren um jeweils vier bis fünf Prozent pro Jahr abgenommen habe. 2008 lag sie bei etwa 50 000. "Das liegt sicher daran, dass mehr verengte Herzkranzgefäße mit dem Einsetzen von Stents per Katheter behandelt werden." Auf der Tagung wurde auch über die neue "Syntax"-Studie diskutiert, in der die Ergebnisse von beschichteten Stents (mit Medikamenten, die die erneute Gefäßverengung verhindern sollen) mit denen von modernen Bypassoperationen verglichen wurden, und zwar bei Patienten, bei denen alle drei großen Herzkranzgefäße verengt waren. Dabei zeigte sich, dass die Annahme, die Stentbehandlung liefere genauso gute Ergebnisse wie Bypassoperationen, nicht haltbar war. Der wesentliche Unterschied lag darin, dass Patienten nach dem Legen eines Stents deutlich häufiger ein zweites Mal behandelt werden mussten, weil es erneut zu einer Verengung des Herzkranzgefäßes gekommen war. "Daraus kann man den Schluss ziehen, dass Stents nach wie vor nicht so lange halten wie Bypässe. Das Legen eines Bypasses ist zwar ein größerer Eingriff, aber auf Dauer gesehen die effektivere Behandlung", so Reichenspurner.

Die Zahl der Herzklappen-OPs hat in den vergangenen Jahren um jeweils fünf Prozent zugenommen und lag 2008 bei ungefähr 22 000. Mehr als die Hälfte der Patienten wurde an der Aortenklappe zwischen linker Herzkammer und Hauptschlagader operiert, ein Viertel waren Eingriffe an der Mitralklappe zwischen linkem Herzvorhof und linker Herzkammer. Bei einem Viertel handelte es sich um kombinierte Operationen. In der Statistik wurde auch deutlich: Der Anteil der Patienten über 80 Jahre ist größer geworden: 2000 lag er noch bei 4,5 Prozent, 2008 bereits bei 10,8 Prozent. Die Sterblichkeitsrate bei Herzklappenoperationen lag 2008 trotz älterer und kränkerer Patienten bei 3,3 Prozent.

Deutlich zugenommen haben die Eingriffe, bei denen Patienten eine neue Aortenklappe per Katheter eingesetzt wurde. Mit dieser Methode wurden im vergangenen Jahr 900 Patienten behandelt. Eingesetzt wurden vor allem Aortenklappen. Jedoch lag die Sterblichkeitsrate mit rund acht Prozent deutlich über der der operativen Methoden. "Dieses Verfahren ist vielversprechend, aber derzeit noch keine Alternative zur Operation und wird deswegen in unserem Zentrum nur bei Patienten angewandt, die für die OP ein zu hohes Risiko haben", sagt Reichenspurner.

Insgesamt zeigt sich in der Jahresstatistik, dass die minimal invasiven Eingriffe an Herzklappen besonders an spezialisierten Zentren deutlich zunehmen. Außerdem werden mehr Mitralklappen rekonstruiert statt ersetzt. "An erfahrenen Kliniken liegt dieser Anteil bei 80 Prozent. Bislang liegt die Rate im Bundesdurchschnitt aber noch bei 60 Prozent."

Doch wie kann sich der Patient entscheiden zwischen diesen unterschiedlichen Methoden? "Er sollte sich in einem Herzzentrum behandeln lassen, in dem Herzchirurgen und Kardiologen gemeinsam entscheiden, welches Verfahren für jeden Einzelnen am besten geeignet ist", empfiehlt der Herzchirurg.