Wer psychische Probleme hat, leidet unter Schlafstörungen. Das galt bisher als erwiesen. Dabei ist es oft umgekehrt.

Menschen, die unter seelischen Krankheiten leiden, schlafen häufig schlecht. Bisher ist die Wissenschaft davon ausgegangen, dass Schlafstörungen die Folge zum Beispiel von Depressionen sind. Diese Annahme stellen Forscher nun auf den Kopf. Ihre These: Schlechter Schlaf verursacht möglicherweise erst eine psychische Erkrankung oder führt zu einem Verhalten, das Ärzte als eine solche fehldeuten.

Dies heißt aber auch: Viele Patienten werden nicht wegen ihrer Schlafstörung behandelt, sondern bekommen aus Unwissenheit Psychopharmaka, die ihnen nicht helfen, sondern sogar schaden, heißt es in dem Bericht des britischen Fachmagazins "New Scientist".

Andererseits könnte man Patienten heilen, nur indem man ihre Schlafstörung beseitigt. "Man sollte doch annehmen, dass es für eine Gesellschaft wichtig ist, zu wissen, ob drei, fünf oder 50 Prozent derer, denen psychiatrische Probleme attestiert wurden, tatsächlich nur unter Schlafstörungen leiden", sagte Matt Walker, Psychologe an der Universität von Berkeley (Kalifornien). Forschern ist ein Zusammenhang zwischen Krankheiten der Psyche und unregelmäßigem Schlaf seit Langem bekannt. 1987 stellten Experten der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore nach dem Bericht des "New Scientist" fest, dass unter Schlaflosigkeit leidende Studenten ein zweimal so großes Risiko für Depressionen entwickelten wie normal schlafende Kommilitonen. Paul Peppard (Universität Wisconsin-Madison) und Kollegen untersuchten 2006 den Zusammenhang zwischen Depressionen und verschiedenen Formen der Atemnot beziehungsweise des Atemstillstands (Apnoe) beim Schlafen. Je schlimmer die Atemstörung, desto höher war die Gefahr, eine Depression zu erleiden.

Die Depression könne in diesen Fällen nicht die Hauptursache für schlechten Schlaf sein, da die Atemstörungen in der Regel körperlichen Ursprungs seien. Dies deute darauf hin, dass Schlafstörungen zu Depressionen führen können. Verhaltensauffälligkeiten, die von Schlafmangel herrühren, könnten auch als Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) missgedeutet werden. Eine entsprechende Studie von Clifford Risk (Schlafstörungs-Zentrum Marlborough in Massachusetts) erschien 2005. Von 34 Erwachsenen mit Schlafapnoe hatten 16 eine verminderte Aufmerksamkeit. Nach einer Behandlung der Apnoe konnten 60 Prozent ihre Leistungen verbessern. Zumindest für diese Gruppe waren die Schlafprobleme Auslöser der Schwierigkeiten.

Aber wie verursacht schlechter Schlaf Probleme der Psyche? Eltern wissen, dass müde Kinder sich häufig hyperaktiv benehmen. Fehlende Nachtruhe lässt die Stresshormone steigen. Fehlender Schlaf schränkt die Fähigkeit des Gehirns ein, Emotionen zu verarbeiten. Forschungen ergaben, dass das Gehirn vor allem in der traumreichen Schlafphase ("REM-Phase") Erinnerungen verarbeitet.

Andere Zusammenhänge geben Rätsel auf: So reduzieren Antidepressiva den REM-Schlaf, dennoch können sie effektiv sein. Seltsam ist auch, dass viele Depressive sich nach einer schlaflosen Nacht zufriedener fühlen.