Seelische Störungen bei Kindern und Jugendlichen sind weit verbreitet. "Zwanzig Prozent aller Kinder sind verhaltensauffällig und zehn Prozent behandlungsbedürftig", sagt Prof. Michael Schulte-Markwort. Am häufigsten sind Störungen des Sozialverhaltens. Die Kinder fallen auf, weil sie gegenüber anderen aggressiv oder sadistisch auftreten. Anderen fällt es schwer, sich in eine Gruppe einzuordnen oder sich an Regeln zu halten. Manche sind grausam zu Tieren oder geraten schon in jungen Jahren mit dem Gesetz in Konflikt. "Eine Ursache solcher Verhaltensstörungen kann Verwahrlosung sein, eine andere ADS, das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, unter dem drei Prozent aller Kinder leiden", sagt der Kinderpsychiater. Häufig ist auch die Depression, an der etwa fünf Prozent aller Kinder leiden. "Sie macht sich bemerkbar durch Spielunlust, Appetitlosigkeit, unter Umständen mit Wechseln zu aggressiven Phasen. Die häufigsten Symptome im Kindesalter sind Beschwerden wie Bauchschmerzen, Kopfschmerzen oder Unwohlsein, für die sich keine körperlichen Ursachen finden", sagt der Kinderpsychiater. "Damit wir diesen Kindern helfen können, müssen wir zunächst der Ursache auf den Grund gehen", sagt Schulte-Markwort. Zum Beispiel könne es sein, dass die Eltern sich ständig streiten oder sich gerade getrennt haben, dass das Kind in der Schule überfordert ist oder in der Klasse eine Außenseiterposition hat. "Solche Situationen können Kinder so stark belasten, dass sie keine Lust mehr zum Leben haben", sagt Schulte-Markwort. "Bei diesen Kindern versuchen wir in einer Einzeltherapie, ihnen die Freude am Leben wiederzugeben, ihr Selbstwertgefühl zu stärken und in ihnen das Gefühl für ihre eigenen Fähigkeiten zu wecken." Die Anzeichen einer seelischen Störung können vielfältig sein: ein plötzlicher Leistungsknick, anhaltende Verhaltensänderungen, Änderung von Malgewohnheiten, zum Beispiel wenn das Kind nur noch schwarze Bilder malt oder die gleichen Inhalte. Schulte-Markwort: "Wenn Eltern das Gefühl haben, dass ihr Kind sich seelisch verändert, sollten sie nicht zögern, sich an einen Kinder- und Jugendpsychiater zu wenden, mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der sie bei körperlichen Erkrankungen zum Kinderarzt gehen." "Denn wenn mit den Kindern etwas nicht stimmt, merken die Eltern es zuerst. Sie sollten auf ihr Gefühl hören und sich nicht durch Sätze in ihrer Umgebung wie ,das wächst sich aus' oder ,das darf man nicht dramatisieren' verunsichern lassen."