Die kleine Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie im Rauhen Haus in Hamburg-Horn ist begehrt. “Jedes Jahr haben wir mehr als 300...

Die kleine Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie im Rauhen Haus in Hamburg-Horn ist begehrt. "Jedes Jahr haben wir mehr als 300 Bewerber, sechsmal mehr Bewerbungen als wir aufnehmen können", sagte Prof. Michael Lindenberg auf dem Hamburger Wissenschaftsforum von Abendblatt und NDR 90,3, das anlässlich der 175-Jahr Feier des Rauhen Hauses kürzlich in der Hochschule stattfand. Der Kriminologe ist Rektor der Hochschule, an der 220 Studenten einen Abschluss als Sozialpädagoge oder einen kirchlichen Abschluss als Diakon anstreben.

Diakone arbeiten in Gemeinden oder kirchlichen Einrichtungen an der Schnittstelle von Verkündigung und Sozialarbeit. "Etwa 30 bis 50 Prozent eines Semesters entscheiden sich, diesen zusätzlichen Abschluss zu machen", sagte Theologin Ulrike Suhr.

Dass die Studierenden Mitglied einer christlichen Kirche sein müssen, ist bei dieser Hochschule - "wir sind bewusste ein Tendenzbetrieb"- zu erwarten. Gute Noten hingegen seien zwar wichtig, so Lindenberg, "aber nicht zentral. Entscheidend sind die Erfahrungen der Studenten und ihre Motivation. Wir fordern von den Bewerbern eine ausführliche Begründung, warum sie hier studieren wollen."

In ihrer Ausbildung setzen sich die Studierenden auch mit brisanten sozialen Themen auseinander. So führten Prof. Lindenberg und Psychologe Raimund Menzel eine Forschungswerkstatt zum Thema "Geschlossene Unterbringung von Jugendlichen" durch. In Hamburg ist dieses hochstrittige Thema mit dem Heim an der Feuerbergstraße verbunden. In der Forschungswerkstatt befragten die Studenten, nach Sichtung der Literatur, Praktiker, um von deren Erfahrungen zu lernen. Das Ergebnis war, so Menzel, eine geschlossene Unterbringung wie in der Feuerbergstraße löse keines der gesellschaftlichen Probleme, die damit gelöst werden sollten.

Die wissenschaftliche Arbeit an der Hochschule sei ein Beitrag, um soziale Fragestellung - wie die Gestaltung der Schule von morgen, der sozialen Arbeit in einem Stadtteil oder die Betreuung Älterer - voranzubringen, erläuterte Prorektor Prof. Matthias Nauerth.

Dabei sind die Wissenschaftler selbstkritisch. So wie jemand über die Welt denkt, warnte Lindenberg, erforscht er sie auch. Die Antworten seien immer geprägt von dem, was Wissenschaftler denken.

Und geforscht wird mit einer evangelischen Haltung.

Dabei musste auch diese Hochschule sich dem Bologna-Prozess stellen. Die Diplomstudiengänge werden in drei Jahren Bachelor-Ausbildung absolviert, der sich ein zweijähriges Masterstudium anschließt.

Die Studierenden müssen pro Semester 500 Euro Studiengebühren zahlen, für Härtefälle gibt es Darlehen. "Wenn wir das Geld nicht bekommen, können wir die Hochschule nicht betreiben", begründete Lindenberg, warum hier nicht auch nachträglich Studiengebühren verlangt werden.

Mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit wollen die Lehrenden auch die Anerkennung der Sozialarbeitswissenschaft, wie die Theorien und Theoriebildung der Sozialen Arbeit auch genannt werden, voranbringen. Ziel sei die Verringerung oder die Verhinderung sozialer Probleme und die Förderung gesellschaftlicher Teilhabe. "Sie ist nicht nur unverzichtbar für die Armen, denen wir unter die Arme greifen", fasste Prof. Lindenberg zusammen, "sondern auch für die Eliten."


Das Forum im Radio: NDR 90,3, Abendjournal Spezial, 15.11., 19.05 bis 20 Uhr