Neues vom Campus

Schon mal nachgedacht, wie sich ein Gehörloser an einer Gegensprechanlage fühlt, die ihm kein Zeichen gibt und so den Zutritt zum Haus verwehrt? Solche Alltagsmomente machen deutlich, dass Behinderte oft erst durch ihr Umfeld behindert werden. Diese These vertreten Lars Bruhn (34) und Jürgen Homann (39), Initiatoren und wissenschaftliche Mitarbeiter des Zentrums für Disability Studies (ZeDiS) der Uni Hamburg. Ziel der beiden Hörgeschädigten ist eine Veränderung der Sichtweisen. "Disability Studies verfolgen den Ansatz, dass Behinderungen sozial verursacht sind. Wir wollen die öffentlichen Diskurse in den akademischen Raum bringen und herausfinden, wie die Umstände barrierefrei verändert werden können", so Homann. "In der bestehenden Behindertenpädagogik geht es mehr darum, den behinderten Personen zu helfen, sich an ihre Umgebung anzupassen." Trotz unterschiedlicher Ansätze gehören die Hamburger Disability Studies zum Institut für Behindertenpädagogik.

In den USA, England und weiteren europäischen Ländern haben sich Disability Studies bereits etabliert. Nach Köln ist das im Dezember 2005 gegründete Hamburger Zentrum das zweite deutschlandweit. Und das Konzept stößt auf Interesse. "Viele Studenten haben nach der Vorlesung um ein Treffen gebeten, bei dem das Gehörte weiter diskutiert werden kann", erzählt Homann. Das sei zum großen Teil das Verdienst der Gastdozenten, die alle behindert sind. "Dies ermöglicht den Studenten, das Thema Behinderung aus einem anderen Blickwinkel wahrzunehmen", erläutert Homann.

Doch trotz des Erfolgs ist ungewiss, ob die Disability Studies in Hamburg bleiben können. "Wir werden komplett über Drittmittel und hauptsächlich vom Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert. Ab 2008 ist die Förderung bereits gesichert, für 2007 fehlen aber 60 000 Euro, ohne die wir nicht wissen, ob das Projekt bestehen bleiben kann", so Bruhn. Der Grund ist das EU-weite Auslaufen der ESF-Förderperiode Ende 2006.

Beide geben aber die Hoffnung nicht auf, eine finanzielle Lösung für den Übergang zu finden. Das Programm für das kommende Wintersemester steht schon fest: Geplant sind drei Veranstaltungen. So wird es Vorträge von Horst Frehe, Richter des Sozialgerichts in Bremen, und dem Schauspieler und Schriftsteller Dr. Peter Radtke geben. Die Veranstaltungen sind für alle Interessenten offen.

Informationen im Internet: www.zedis.uni-hamburg.de