Seit 25 Jahren beleuchtet der Weltklimarat die Erderwärmung. Die Kernaussagen werden immer sicherer, erneuerbare Energien werden ausgebaut. Dennoch muss das Gremium um seine Glaubwürdigkeit kämpfen.

Hamburg Der Weltklimarat, kurz IPCC, soll „die akzeptierten Fakten und Projektionen herausfiltern, sie von schieren Spekulationen trennen und die Welt mutig darüber informieren, was zu tun ist“. Das forderte der Ägypter Mostafa Kamal Tolba, damals Leiter des Uno-Umweltprogramms Unep, bei der Gründungssitzung dieses internationalen Forschergremiums im November 1988 in Genf. 25 Jahre und knapp fünf Klimaberichte später ist der Weltklimarat Träger des Friedensnobelpreises und hat mehrere Kritikwellen erlebt sowie sein Prüfsystem verbessert. Seine seit Beginn propagierte Kernthese tritt zugleich aber immer schärfer hervor: Im kürzlich präsentierten ersten Teil seines 5. Reports unterstreicht der Rat, dass der Mensch mit 95- bis 100-prozentiger Sicherheit die wesentliche Ursache des Klimawandels sei.

Das ist deutlicher als jemals zuvor. Zur Berechnung seien mögliche Faktoren wie die Sonne, Vulkane aber auch die Treibhausgase einzeln in Klimamodelle eingespeist worden, erläutert Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg und IPCC-Leitautor. Wenn der Mensch den Treibhausgasausstoß nicht stark bremse, werde die Lufttemperatur um mehr als zwei Grad steigen und damit die Anpassungsfähigkeit von Natur und Menschen vielleicht überstrapazieren.

Für die Berichte fassen Hunderte Wissenschaftler Tausende von Studien zusammen und geben ein Bild vom Stand der Forschung. Der Rat biete nicht nur für die Klimapolitik und die Uno-Klimakonferenzen die entscheidende Grundlage, sagt Karsten Sach, Klimachefunterhändler für die deutsche Regierung. „Bei der Eröffnung der letzten Generalversammlung der Vereinten Nationen habe ich kaum einen Staats- und Regierungschef gehört, der das Klima nicht als prioritäres Thema genannt hat. Die Weltbank sagt, ohne Klimaschutz ist keine Entwicklung möglich.“

Mit zunehmender Prominenz des Themas Klima stieg jedoch auch die Kritik am IPCC: „Das, was wir nun sagen können, ist viel verlässlicher und grundlegender als früher, doch geglaubt wird uns weniger, fürchte ich“, sagt der Hamburger Prof. Marotzke. Es habe immer Zweifler an den Thesen des Weltklimarates gegeben, ebenso wie auch an der Allgemeinen Relativitätstheorie von Einstein. „Aber dadurch, dass das Thema Klima jetzt politisch relevanter geworden ist, hat die Klimaforschung auch mehr Kritiker angezogen“, meint Marotzke. Die Wissenschaft sei ein Nebenkriegsschauplatz einer eigentlich politischen Schlacht. „Aber es gibt viele Leute, die glauben, sie können eine politische Schlacht gewinnen, indem sie das in den wissenschaftlichen Bereich hineinziehen.“

Was mancher E-Mail-Schreiber nach den Enthüllungen von Edward Snowden heute ahnt – jede E-Mail kann gegen ihren Verfasser verwendet werden –, mussten IPCC-Autoren bereits 2009 erfahren. Kurz vor dem entscheidenden Klimagipfel von Kopenhagen veröffentlichten unbekannte Hacker rund 1000 E-Mails britischer Forscher, darunter IPCC-Autoren. Sie rissen gezielt Zitate heraus, die sie Medien präsentierten, und unterstellten den Forschern Tricks und Betrug. Nach mehreren wissenschaftlichen Überprüfungen stellte sich heraus, dass die Forscher in internen E-Mails zuweilen in etwas rauen Ton über ihre Kritiker geschrieben hatten. Wissenschaftlich aber war kein Betrug nachzuweisen. „Climategate“, wie der Fall genannt wurde, hatte dennoch am Ruf des Klimarates und seiner Autoren gerüttelt.

Viel Kritik erhielt auch ein Team um Michael Mann, dessen 1000-jährige Klimakurve 2001 abgedruckt war. Sie zeigt lange nur leicht schwankende Temperaturen für die Nordhalbkugel der Erde an und seit etwa 1850 – also mit dem Beginn der Industrialisierung – einen starken Anstieg. „Im Groben ist die Kurve einigermaßen zutreffend, aber methodisch mangelhaft und keinesfalls das letzte Wort.“ Der Fehler des Weltklimarates sei gewesen, diese Daten „zu einer endgültigen Wahrheit zu überhöhen“, sagt Prof. Hans von Storch vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht, der die Kurve überprüft hat. Inzwischen haben Forscher ähnliche Grafiken erstellt. Der jüngste IPCC-Report zeigt nun einige dieser Grafiken mit leicht unterschiedlichen Ausschlägen, die den starken Temperaturanstieg ab etwa 1850 jedoch alle enthalten.

Hans von Storch, selbst IPCC-Autor, der den Rat in einzelnen Punkten auch immer wieder öffentlich kritisiert hat, bescheinigt ihm vor allem bei der Arbeit zu den wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels eine „gute Qualität“. So seien in diesem Teil 1 auch beim 2007 veröffentlichten 4. Report keine inhaltlichen Fehler entdeckt worden. Viel Wirbel lösten jedoch die Fehler im Teil 2 dieses Reports aus, der die Folgen des Klimawandels betrachtet. So war das Jahr des Verschwindens der Himalaja-Gletscher irrtümlich bereits für 2035 angegeben worden. Zudem hatte der IPCC eine falsch von den Niederlanden gelieferte Zahl zur Landesfläche übernommen, die unter dem Meeresspiegel liegt. Bei der Durchsicht sehr vieler Studien seien solche Fehler sogar wahrscheinlich, meint von Storch, aber der Umgang damit müsse geändert werden. Der IPCC hatte etwa den Fehler zur Gletscherschmelze erst sehr spät und mit dürren Worten eingeräumt.

„Der größte Unterschied zwischen den ersten drei IPCC-Berichten und den nachfolgenden ist, dass wir jetzt eine sehr wache Blogosphäre haben“, meint von Storch. „Das Dumme war nur, dass der IPCC beim 4. Report nicht darauf vorbereitet war, dass es eine kritische Öffentlichkeit gibt und deswegen nicht vernünftig damit umgegangen ist.“

„Das Krisenmanagement nach dem 4. IPCC-Report war scheußlich, es gab keins“, meint Prof. Marotzke. Der Weltklimarat selbst hat inzwischen jedoch einiges verbessert. So sollen die Autoren, die alle ehrenamtlich für den IPCC arbeiten, Interessenskonflikte genauer angeben. Zudem haben die Gutachter der einzelnen Kapitel Marotzke zufolge eine stärkere Rolle bekommen. Sie mussten etwa darauf achten, dass die rund 55.000 Fachkommentare zu den Rohfassungen des 5. Reports Teil 1 wirklich eingearbeitet oder gut begründet abgelehnt wurden. Dieser Bericht steht nun im Internet, wird aber erst Anfang 2014 gedruckt.

Mit der zunehmenden Datenfülle haben sich auch einige Aussagen geändert. So hat der IPCC die Untergrenze einer Temperaturprognose nach unten gesetzt. Dies sei kein Grund zur Entwarnung, betont Prof. Peter Lemke, vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven und Gutachter des Reports im Bereich Eisschmelze. „Das ist eine Ausweitung der Unsicherheit. Steuerschätzungen oder Wirtschaftsprognosen haben viel größere Fehlerbalken“, sagt Lemke. Die menschengemachte globale Erwärmung sei aus Forschersicht eindeutig.

Zugleich verweist Prof. Lemke auf weitere mögliche künftige Änderungen: „Wir sind selbst unsere größten Skeptiker.“ Die Forscher wüssten, dass sie immer weitere, neue Ergebnisse liefern werden.