Für jede Versuchsperson erstellt ein Computer in der Hochschule für Angewandte Wissenschaften am Berliner Tor einen digitalen Zwilling.

Das Maßband hat ausgedient. Laser übernehmen jetzt seine Rolle, jedenfalls wenn es um die Ermittlung der Körpermaße und Körperproportionen der Deutschen geht. Seit gestern läuft an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) am Berliner Tor eine repräsentative Reihenmessung, an der bislang 8000 Menschen mitwirkten.

In eng anliegender Unterwäsche betritt die Versuchsperson, ohne dass ihr dabei jemand zusieht, eine 2,50 mal 2,50 Meter große, fast dunkle Kabine, die im Gebäude der HAW am Berliner Tor steht. Vier rotfarbige Laser, die an jeder der vier Säulen in den Ecken der Kammer befestigt sind, tasten binnen zehn Sekunden die Körperoberfläche von Kopf bis Fuß ab. Der Teilnehmer muss vier unterschiedliche Positionen einnehmen. Nur so können alle Maße, die eine Schneiderin für die Anfertigung eines passgenauen Kleidungsstücks braucht, erhoben werden. Diese Prozedur ist völlig schmerzfrei und auch ohne Gefahr für die Gesundheit. Denn die Laser sind in ihrer Intensität vergleichbar den Lasern, mit denen an einer Supermarktkasse Waren eingescannt werden.

Zeitgleich folgen acht digitale Kameras, die ebenfalls an den Säulen befestigt sind, den Lasern und nehmen pro Teilnehmer 40 000 Punkte auf. Diese geballte Information wird an einen Computer, der vor der Kammer steht, übertragen. Eine spezielle Software setzt daraus den digitalen Zwilling des Teilnehmers zusammen, der sofort auf dem Monitor erscheint. Allerdings ist die Auflösung so grob, dass das Gesicht nicht erkennbar ist.

"Brustumfang, Taille, Hüft- oder Beinumfang der digitalen Zwillinge werden so gründlich vermessen, dass wir danach etwa 90 Werte über Körpermaße haben. Und erstmalig kennen wir auch die Körperform, weil wir ein dreidimensionales Bild erhalten. Das konnten wir mithilfe des Maßbands bislang nicht herstellen. Diese Chance eröffnet erst die 3-D-Bodyscanning Technology, die auf Lasertechnologie basiert", sagt Ingenieur Martin Rupp vom Hohensteiner Institut. Der Direktor der Abteilung Bekleidungstechnik leitet das Projekt "Size Germany", dessen Ergebnisse Bekleidungs- und Autoindustrie interessieren. Denn sie müssen immer noch mit Daten aus dem Jahr 1994, in dem die Frauen zuletzt vermessen wurden, beziehungsweise aus dem Jahr 1978, in dem die Körpermaße der Männer erfasst wurden, arbeiten. Doch Körpermaße und Körperproportionen haben sich - wie auch die Altersstruktur - in den vergangenen Jahrzehnten so verändert, dass es keine zuverlässigen Aussagen mehr über Größenverteilung und Körperform unterschiedlicher Zielgruppen gibt. Das soll sich nun ändern.

Die Aktion findet an der HAW statt, erläutert Professorin Dorothea Wenzel, Dekanin des Fakultät Design, Medien und Information, "weil wir auch im Rahmen des Ingenieurstudienganges Bekleidung, Technik und Management einen starken Praxisbezug haben. Das ist die Basis für solche Kooperationen. Für uns sind die Messdaten wichtig, um mit unseren Studierenden computergestützt Konfektionen zu entwickeln". Nachdem im vergangenen Jahr bereits im Süden, Westen und Osten der Republik vermessen wurde, ist jetzt der Norden dran. "Insgesamt wollen wir 12 000 Teilnehmer im Alter zwischen sechs und 99 Jahren, genauso viele Frauen wie Männer vermessen, um statistisch gesehen den typischen Deutschen zu erhalten", erläutert Martin Rupp. Noch fehlen vor allem die Maße von Kindern und Jugendlichen sowie von Männern über 40 Jahren. Jeder, der sich scannen lässt, bekommt seinen digitalen Zwilling als Bild per E-Mail zugeschickt.


Bis zum 18. Juli läuft von Montag bis Mittwoch, 10 bis 18 Uhr, Donnerstag und Freitag, 8 bis 16 Uhr in der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), Berliner Tor 5, 20099 Hamburg, die Vermessungsaktion. Wer teilnehmen möchte, sollte unter Telefon: 07143/27 15 50, per E-Mail: contact@sizegermany.de oder im Internet unter www.sizegermany.de einen Termin vereinbaren.