"Nur eine Fleischwunde", versichern Actionhelden gerne den Fernsehzuschauern. Und Eltern trösten ihre Kinder bei einer Schürfverletzung mit den Worten: "Das heilt wieder." Was aber, wenn sich eine Wunde nicht mehr von alleine schließt?

Chronische Wunden können durch Geschwüre oder schwere Brandverletzungen entstehen. Häufig sind es Begleitumstände, die eine Wunde offen halten, weil sie die Zusammensetzung und das Zusammenspiel der Heilungsfaktoren stören - z. B. ein schlecht eingestellter Diabetes. Bei manchen Wunden genügt es, die Heilung zu unterstützen, indem der behandelnde Arzt versucht, das Gleichgewicht der Heilungsfaktoren wiederherzustellen. Dazu trägt er biotechnologisch produzierte Wachstumsfaktoren und Protease-Inhibitoren auf die Wunde auf. Die Wachstumsfaktoren beschleunigen den Wundverschluss, und die Inhibitoren verhindern, dass das körpereigene Enzym Protease die Wachstumsfaktoren zerstört.

In Fällen, in denen jedoch selbst so keine Wundheilung erreicht werden kann, blieb bisher nur die schmerzhafte Transplantation von Eigenhaut. In einer stationären Behandlung ritzt der Arzt das entnommene Hautstück an vielen Stellen ein, sodass er es über die gesamte Wundfläche dehnen kann ("Spalthaut-Transplantation"). Da bei der Entnahme der Haut logischerweise eine neue Wunde entsteht, hat der Patient dann oft ein neues oder gar zwei Probleme.

Deshalb haben Mediziner schon lange nach einer Methode gesucht, um die Entnahme von Haut zu vermeiden. In der Biotechnologie sind sie fündig geworden. Basierend auf Grundlagenarbeiten der Dermatologischen Uniklinik Bern entstand Epidex, eine "Haut aus Haaren".

Dabei wird die Wunde keineswegs mit Haaren bedeckt. Vielmehr zupft der Arzt dem Patienten einige Kopfhaare aus. Aus Zellen der äußeren Haarwurzelscheide entsteht dann innerhalb von zwei Wochen im Labor ein Gewebe, das eine sehr hohe Ähnlichkeit mit normaler Haut hat. Dies ist möglich, weil die Haarwurzelscheide Vorläuferzellen für epidermale Keratinozyten enthält, also jenen Zelltyp, der 90 Prozent der Oberhaut ausmacht und auch bei der normalen Wundheilung eine große Rolle spielt. Fünf Wochen später kann der Arzt das neue Gewebe ambulant auf die Wunde aufbringen.

Das Verfahren macht nicht nur die Hautentnahme überflüssig, es bietet auch weitere Vorteile. So ist die Qualität der Haarwurzelzellen vom Alter weitgehend unabhängig und Epidex somit auch für ältere Patienten sehr gut geeignet. Außerdem besteht nicht die Gefahr, dass der Körper das Hautimplantat abstößt, da es aus Zellen des Patienten gezüchtet wurde. Und sollte der Patient weiteres Hautmaterial benötigen, kann dies aus eingefrorenen Zellen in zwei Wochen hergestellt werden.

Hinsichtlich des Behandlungserfolges muss Epidex den Vergleich mit der Spalthaupt-Transplantation nicht scheuen. Eine Studie hat belegt, dass sechs Monate nach der Behandlung ähnlich viele Wunden komplett geschlossen waren. Während jedoch bei Patienten ohne vollständigen Wundabschluss die Transplantation die Wunde kaum verringert hat, hat Epidex die Wundfläche mehr als halbiert.

Für eine europaweite Zulassung ist zunächst noch eine weitere Studie erforderlich. Es gibt jedoch ein paar Krankenkassen, die schon heute die Kosten für eine Behandlung mit Epidex tragen.