Sogenannte Killerspiele stehen in der Kritik, doch Kinder und Jugendliche nutzen sie gern. Eine Medienpsychologin erklärt den Reiz.

Im abgedunkelten Kinderzimmer sitzt der Junge vorm Monitor. Vor seinen Augen laufen brutale Szenen ab: das Mündungsfeuer von Waffen, eine Spielfigur sackt blutend zu Boden. Auf den Lippen des Jungen erscheint ein Lächeln.

Ist das die Wirklichkeit? Schotten sich unsere Kinder tatsächlich ab und geben sich der virtuellen Gewalt hin, um einen inneren Blutdurst zu befriedigen? Sabine Trepte, Professorin für Medienpsychologie an der Hamburg Media School, gibt darauf Antworten.

ABENDBLATT: Warum spielen Jugendliche gewalttätige Computerspiele wie beispielsweise Actionspiele?

PROF. SABINE TREPTE: Es gibt eine Vielzahl von Gründen, dazu zählen die individuellen Motive der Jugendlichen, ihre Persönlichkeit und Aspekte der Familie und der häuslichen Umgebung.

1. Motive: Jugendliche suchen Herausforderung und möchten sich mit ihren Freunden messen. Sie erfahren durch das Computerspiel Erfolgserlebnisse und das Gefühl, etwas erreichen zu können. Das Spielen kann soziale Motive haben. Die Jugendlichen treffen sich mit ihren Freunden - entweder virtuell - oder sie spielen gemeinsam vor der Konsole. Und natürlich macht es den Jugendlichen einfach Spaß, sie unterhalten sich dabei.

2. Persönlichkeit: Eine Reihe von Studien zeigt, dass Jugendliche, die aggressiver sind, auch eher gewalthaltige Spiele spielen. Achtung: Das bedeutet nicht, dass alle Computerspieler aggressiv sind, sondern nur, dass diejenigen, die aggressive Tendenzen in ihrer Persönlichkeit haben, eher zu gewalttätigen Spielen greifen. Weitere Studien zeigen Zusammenhänge zu sensation seeking (wie viel "Aufregung" und Abwechslung mag ich in meinem Leben). Die Computerspieler sind demnach eher Sensation-Seeker. Auch haben Spieler eine höhere Erfolgsmotivation, das heißt sie möchten beim Spielen etwas erreichen.

3. Umgebungsfaktoren: In Familien, in denen der Zugriff auf die Spiele (z. B. älterer Bruder spielt und hat Spiele) und auf die Hardware (eigener PC oder Konsole im Zimmer) erleichtert ist, werden insgesamt mehr Spiele gespielt und auch mehr Spiele, die nicht für das Alter der Kinder freigegeben sind.

ABENDBLATT: Können Computerspiele Aggressionen bündeln und dazu führen, dass diese Aggressionen in der Realität ausgelebt werden?

TREPTE: Wenn Sie es so formulieren: ja. Aus dieser Sicht ist das Computerspiel ein auslösender Reiz, aber nicht die alleinige Ursache der Aggression. Gleichzeitig könnte aber auch ein Streit mit einem anderen auf der Straße oder ein gewalthaltiger Film der auslösende Reiz sein.

ABENDBLATT: Überschätzen Politiker die Auswirkung der Killerspiele auf die Psyche der Kinder und Jugendlichen?

TREPTE: In der Politik besteht zu Recht große Unsicherheit über dieses Thema. Die empirische Forschung hat bisher keine direkten langfristigen und starken Wirkungen der Gewaltspiele nachweisen können. Das liegt aber aus meiner Sicht auch an den mangelnden Möglichkeiten, die Komplexität der Spiele in den Studien abzubilden. Sinnvoll wären Langzeitexperimente. Die sähen so aus: Eine Gruppe von Jugendlichen spielt Gewaltspiele, eine nicht. Diese beiden Gruppen stammen aus verschiedenen sozialen Schichten und sind im Hinblick auf ihre Persönlichkeit unterschiedlich. Auf diese Weise könnten wir den Einfluss von nicht altersgemäßen und/oder gewalthaltigen Spielen auf Schulleistung, Berufserfolg, psychische und physische Gesundheit herausfinden. Sie merken schon: Eine solche Studie ist nicht realisierbar. Weder wäre es ethisch verträglich, wenn wir Kindern Spiele ohne Altersfreigabe geben, noch können wir eine gut durchmischte Kontrollgruppe von Kindern, die nicht spielen, identifizieren oder bestimmen.

ABENDBLATT: Ist das von Beckstein geforderte Ziel, Killerspiele "in einer Größenordnung von Kinderpornografie einzuordnen" ein Schritt in die richtige Richtung?

TREPTE: Das ist alles sehr polemisch. Die Ideen zum Gesetzentwurf sind zum Teil gerechtfertigt. Die Debatte, in der dieser Gesetzentwurf diskutiert wird, wird zum Teil unsachlich geführt.

ABENDBLATT: Gibt es andere Länder, deren Umgang mit Computerspielen Deutschland als Vorbild nehmen könnte?

TREPTE: Mir sind keine Länder bekannt.

Vortrag: "Massenmord im Kinderzimmer? Erfolgsfaktoren und Wirkung gewalthaltiger Computerspiele", Prof. Sabine Trepte, heute, 18.30-20.30 Uhr, Hamburg Media School, Finkenau 35, Anmeldung Tel. 040/41 34 68 18 oder per E-Mail: careerservice@hamburgmediaschool.com