Gestern war Startschuss in Mexiko für das modernste und größte Radioteleskop der Welt. Forscher wollen mit ihm in die Ursprünge des Alls horchen.

Sierra Negra. Alfonso Serrano Perezgrobas gerät ins Schwärmen, wenn er über Astronomie in Mexiko spricht. Der Blick zu den Sternen ist für den Direktor des Instituts für Astrophysik (INAOE) eine traditionelle Vorliebe der Menschen, die hier in den Hochtälern zwischen den Gebirgszügen Mexikos dem Himmel immer näher waren als etwa die Eroberer aus Spanien, deren Blick wegen des Goldes und anderer Bodenschätze eher auf und unter die Erde gerichtet war.

"Die Astronomie ist hier Tausende von Jahren alt", sagt er. "Die Mayas, Azteken und anderen Völker der Region haben sich besser mit den Sternen ausgekannt und sie präziser beobachtet als die Europäer." Um die Tradition in moderner Form wieder aufleben zu lassen, ist auf dem 4580 Meter hohen Gipfel der Sierra Negra seit 1997 das Große Millimeterteleskop (LMT) entstanden, das der mexikanische Präsident Vicente Fox gestern in Betrieb genommen hat. Es soll die Millimeterwellen der elektromagnetischen Strahlung beobachten und über diese sogenannten Radiowellen zum Anfang des Universums zurückblicken, um etwa die Entstehung von Sternen und Galaxien zu erforschen.

Der Stahlkoloss wiegt rund 2500 Tonnen und ruht auf einem 540 Kubikmeter großen Betonsockel. Die Parabolantenne hat einen Durchmesser von 50 Metern und eine Fläche von 2000 Quadratmetern. "Es ist derzeit das Einzige dieser Art und Größte weltweit", erklärt Serrano, der Chefkoordinator des Projektes, mit dem Mexiko eine Führungsrolle in der Radioastronomie übernehmen will. Serrano war von Anfang an dabei, seit zu Beginn der 90er-Jahre im INAOE in Tonantzintla bei Puebla die Idee Formen annahm, in Mexiko ein Millimeterwellenteleskop zu bauen. Mehrere Jahre hatten die Wissenschaftler den Standort gesucht und sich dann für den Gipfel der Sierra Negra im Staate Puebla rund 250 Kilometer östlich von Mexiko-Stadt entschieden.

Nach allen Kriterien war der erloschene Vulkan der optimale Standort. "Im Winter haben wir Bedingungen wie in der Antarktis", so Serrano. "Wir sind sicher, dass wir dann am meisten und am weitesten sehen. Wir werden ein neues Fenster in das Universum aufstoßen." Der Nachbar ist der Vulkan Orizaba, der mit knapp 5800 Metern höchste Berg Mexikos.

Die Inbetriebnahme des mit der US-Uni von Massachusetts geplanten Teleskops war für 2003 geplant. So sind die Kosten von 50 Millionen Dollar (40 Millionen Euro) auf 120 Millionen gestiegen. Auch deutsche Firmen und Ingenieurkunst sind eingeflossen. Der Entwurf stammt von der MT Aerospace in Mainz, hauptsächlich von Ingenieur Hans Kärcher, dem Serrano am liebsten ein Denkmal setzen würde.

"Das ist eine spektakuläre Geschichte und ein Traum für jeden Ingenieur, eine solche Konstruktion zu entwerfen", sagt der Leiter der Mechatronikabteilung des Mainzer Unternehmens, Thomas Zimmerer. Ähnliche Teleskope stehen unter anderem in Effelsberg in der Eifel, auf Sardinien und in Chile. Auch die Technik, mit der die Antenne bewegt und justiert wird, kommt aus Mainz.

Der MT-Aerospace-Ingenieur Steffen Seubert sieht die größte Herausforderung in der Größe. "2500 Tonnen mit einer Ausrichtgenauigkeit von einer Bogensekunde zu bewegen, das ist schon eine Leistung." Nach der Inbetriebnahme wird justiert und nachgebessert. Es wird ein bis zwei Jahre dauern, ehe die aus 187 Reflektoren bestehende Antenne die Wellen so präzise empfängt, dass sie neue Bilder vom jungen Universum liefert.

Das Teleskop im Internet: www.lmtgtm.org