Bisher konnten die 40 000 Kilometer Erdgas-Hochdruckleitungen nur mühsam am Boden überprüft werden. Jetzt geht das auch schneller und preiswerter - beim Überfliegen.

Nach der Statistik der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfachs (DVGW) gibt es in Deutschland etwa 45 000 Kilometer Hochdruck-Erdgasleitungen zum Ferngastransport. All diese unterirdisch liegenden Leitungen werden regelmäßig auf Dichtheit und eventuelle Eingriffe von außen überprüft. Aus der Luft war es bisher allerdings nur möglich, eventuelle Gaslecks lediglich an einer Verfärbung von Pflanzen festzustellen. Alle mit Straßen oder Siedlungen bebauten Flächen mussten deshalb mit sogenannten Gasspürsonden überprüft werden - von Kontrolleuren, die den Boden absuchen. Dabei wird Bodenluft über eine von Hand geführte Messsonde angesaugt und in einem Flammenionisationsdetektor auf brennbare Gase geprüft. Das Verfahren ist personalintensiv und teuer. Die E.on Ruhrgas AG hat deshalb zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Brandenburger Laserfirma Adlares ein Messsystem entwickelt, das Erdgasaustritte auch aus der Luft aufspüren kann, egal wo sich die Lecks befinden. So läuft das ab, wenn der Helikopter zur Leitungskontrolle startklar gemacht wird:

Es ist acht Uhr morgens auf dem Hubschrauberlandeplatz Bonn-Hangelar. Die Flieger-Crew - der Pilot Bernd Süring und Diplom-Ingenieurin Klaudia Kordulla - prüft zum letzten Mal die Einstellung des Fernerkundungssystems im Laderaum des Hubschraubers.

Mit dem auf Infrarot-Laserlicht basierenden Erkundungssystem ("Charm") können kleinste Erdgasmengen aus 150 Meter Flughöhe erkannt werden. Heute soll der Hubschrauber einen Übungsflug über ein Stück des Leitungsnetzes unternehmen und ein vorher angelegtes Gasleck identifizieren.

"Eigentlich funktioniert das System ganz einfach", sagt Klaudia Kordulla. "Die ausgesendeten Laserlicht-Doppelpulse werden vom Boden zum Empfänger zurückgestreut und dann ausgewertet." Treffen die Laserlichtpulse auf Methanmoleküle - den Hauptbestandteil des Erdgases -, werden sie von diesen absorbiert. Die Auswerteelektronik des Systems erkennt auch die Intensität des vom Boden rückgestreuten Laserlichts und erzeugt bei starker Absorption eine Alarmmeldung.

Damit das Lasersystem ungestört arbeiten kann, ist es schwingungsgedämpft und temperaturstabilisiert in einer Box im Laderaum des Hubschraubers befestigt. Regeleinrichtungen gleichen die Einflüsse der Hubschrauberbewegungen aus und richten den Messstrahl präzise auf die Leitungs-Trasse.

Der Hubschrauber gleitet in einer Höhe von 100 bis 120 Metern entlang der Erdgasleitungs-Trasse dahin. "Seine Flugbahn richtet er nach den Daten des geografischen Informationssystems. Denn alle Erdgasrohrleitungen der E.on Ruhrgas sind genau vermessen und werden mir in einer Karte auf einem speziellen Monitor angezeigt", erklärt der Pilot.

Da eventuell austretendes Erdgas nicht zwangsläufig unmittelbar oberhalb der Rohrleitung austritt, zum Beispiel weil asphaltierte Straßen oder gepflasterte Gehwege ihm den Weg versperren, tastet der Laserstrahl über eine neuartige, patentierte Optik einen Korridor von etwa zwölf Meter Breite ab.

Plötzlich schlägt ein akustisches Signal Alarm. Auf der Karte am Laptop-Bildschirm färbt sich eine Stelle rot. "Hier haben wir augenscheinlich die simulierte Erdgasaustrittsstelle getroffen", sagt Süring. Die Koordinaten der detektierten Stelle werden genau festgestellt und per E-Mail an den zuständigen Betriebsstellenstandort von E.on weitergegeben.

Von dort wird dann ein Einsatzfahrzeug losgeschickt, das die gemeldete Stelle des Gaslecks schnellstmöglich untersucht und die Ursache des Gasaustritts behebt.

"Beim Begehen der Erdgasrohrleitungen mit Gasspürgeräten konnten bisher maximal acht Kilometer an einem Arbeitstag überprüft werden - mit ,Charm' sind vom Hubschrauber aus 30 bis 50 Kilometer pro Stunde möglich", sagt der Teamleiter der Entwicklung, Werner Zirnig.

Sobald das neue "Gasferndetektionsverfahren" von den technischen Gremien der DVGW (Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfachs) geprüft worden ist, wollen Zirnig und seine Kollegen das System auch international vermarkten. Die Chancen stehen gut: Allein in Westeuropa gibt es rund 250 000 Kilometer Erdgastransportleitungen, die regelmäßig zu kontrollieren sind.