Astronomie: Das Hubble-Teleskop hat neue spektakuläre Bilder der Supernova Cassiopeia A geliefert. Was die Forscher in Billiarden Kilometern Entfernung sehen, kann ihnen helfen, das Rätsel um unsere Existenz zu lösen.

Hamburg. Es war vor etwa 340 Jahren. Über Frankreich herrschte der "Sonnenkönig" Ludwig XIV., Neu-Amsterdam wurde in New York umbenannt, und in Hamburg legte man den Jungfernstieg an. In jener Zeit leuchtete - von den Astronomen damals unbemerkt - im Sternbild Cassiopeia ein "neuer" Stern auf: Es war die bislang letzte Supernova - die Explosion eines sterbenden Sterns - in der Geschichte unserer Milchstraße.

Von dem, was sich dort oben - in 10 000 Lichtjahren (oder 100 Billiarden Kilometern) Entfernung - abspielt, hat die US-Weltraumbehörde Nasa jetzt neue, spektakuläre Aufnahmen ihres Weltraumteleskops Hubble veröffentlicht; sie zeigen erstaunliche Einzelheiten der zerfetzten Überreste des Sterns.

Aus insgesamt 18 im Dezember 2004 mit unterschiedlichen Filtern aufgenommenen Bildern erzeugten die Nasa-Astronomen ein farbenprächtiges Komposit der sich ausdehnenden Gaswolke von Cassiopeia A. Die Farben zeigen dabei die chemischen Elemente in dem Supernova-Überrest an: Sauerstoff leuchtet grün, Schwefel rot, Wasserstoff und Stickstoff blau.

Die Forscher blicken regelmäßig mit Hubble auf Cassiopeia A. Die beiden letzten Beobachtungsreihen liegen neun Monate auseinander. Ein Vergleich der Bildreihen zeigt, dass sich die Gaswolke noch heute ausdehnt, teilweise mit einer Geschwindigkeit von fast 50 Millionen Kilometern in der Stunde - damit ließe sich die Entfernung Erde-Mond in 30 Sekunden zurücklegen.

Natürlich beobachten die Astronomen Objekte wie Cassiopeia A nicht allein wegen ihrer Schönheit. Supernovae spielen in der Entwicklung unseres Universums eine wichtige Rolle. Denn beim Urknall, der Entstehung des Kosmos in einem extrem dichten und heißen Feuerball, sind zunächst nur Wasserstoff und Helium sowie geringe Mengen an Lithium entstanden. Alle schwereren Elemente - etwa Sauerstoff oder Eisen - wurden erst später durch Kernfusion im Inneren von Sternen gebrannt.

Und erst die Explosion dieser Sterne hat die schweren Elemente im Weltraum verteilt und so den Grundstein gelegt für die kosmische Evolution: Ohne schwere Elemente gäbe es keine Planeten, kein Leben - und keine Astronomen, die sich anschicken, die Geheimnisse des Universums zu entschlüsseln.

Auch dabei helfen ihnen wieder die explodierenden Sterne. Denn die Supernovae eines bestimmten Typs dienen den Astronomen als kosmische Messlatten: Aus ihrer auf der Erde registrierten Helligkeit können die Wissenschaftler ihre Entfernung ablesen und so das Universum bis in die fernsten Galaxien vermessen.

Doch warum explodieren überhaupt einige Sterne und andere nicht? Die Geburt verläuft zunächst bei allen Sternen ganz ähnlich: Riesige Gaswolken ziehen sich unter der Last ihrer eigenen Schwerkraft langsam zusammen. In ihrem Inneren bilden sich Verdichtungen, deren Kollaps schließlich immer rascher verläuft. Dabei heizt sich das Gas immer weiter auf - bis schließlich Dichte und Temperatur einen Grenzwert überschreiten: Im Inneren des Gasklumpens zündet die Kernfusion von Wasserstoff zu Helium, ein Stern leuchtet auf.

Aus einer großen Gaswolke entstehen zumeist viele Sterne unterschiedlicher Größe. Der Lebenslauf eines Sterns hängt dann davon ab, wie viel Masse er enthält. Denn große, massereiche Sterne gehen mit ihrem Energievorrat verschwenderischer um als kleine, massearme. Deshalb strahlen die großen Sterne hell - aber nur für wenige Millionen Jahre, während die kleineren Sterne Milliarden Jahre alt werden können.

Und auch im Todeskampf bäumen sich die massereichen Sterne noch einmal gewaltig auf: Sie sind es, die in einer Supernova-Explosion vergehen, während die kleineren Sterne ihr Leben eher unspektakulär als Weißer Zwerg beenden. Wie genau die Explosion eines Sterns abläuft, ist für die Astronomen schwer zu ergründen. Deshalb ist die Beobachtung dieser kosmischen Katastrophen und ihrer Überreste so wichtig. Mit gewaltigen Supercomputern versuchen die Forscher die Vorgänge im Inneren der explodierenden Sterne zu simulieren und mit den Beobachtungsbefunden zu vergleichen.

Wenn die Kernfusion im Zentrum des aufgeblähten Sterns verlischt, gerät er aus dem Gleichgewicht. Bislang hatte die bei der Kernfusion erzeugte Strahlung der Schwerkraft des Sterns Paroli geboten. Nun fehlt die Strahlung plötzlich - deshalb stürzt der Stern haltlos zusammen. Bei diesem rasanten Kollaps entsteht aus dem inneren Teil des Gasballs ein Neutronenstern, in dem die Materie so dicht gepackt ist wie in den Atomkernen. Der Zusammenbruch löst eine nach außen laufende Schockwelle aus, die das Äußere des Sterns zerfetzt. Allerdings reichte in den Computersimulationen die Energie dieser Schockwelle nicht aus, um die Wucht einer Supernova-Explosion zu erklären.

Erst im vergangenen Jahr fanden amerikanische Forscher eine Lösung für dieses Problem: Auf den entstehenden Neutronenstern fällt zunächst weiter Materie herab und löst beim Aufprall starke Schallwellen - also Schwingungen - aus, die den Neutronenstern durchlaufen. Die Schallwellen schaukeln sich auf und verlassen den Neutronenstern auf der entgegengesetzten Seite wieder - und laufen dann mit Energie aufgeladen durch die Außenschichten des Sterns. So erst verwandelt sich beim Sternentod die Gravitationsenergie der einfallenden Materie in eine mächtige Schockwelle, die stark genug für die Explosion als Supernova ist.

Dieser akustische Effekt ist hochgradig asymmetrisch, wie die Rechnungen des Forscherteams zeigen. Dadurch erhält der junge Neutronenstern zugleich einen kräftigen Stoß, der ihn mit Geschwindigkeiten von über tausend Kilometern pro Sekunde durchs All katapultiert. Und genau das beobachten die Astronomen bei Neutronensternen tatsächlich.

Ein Stern muss mehr als die achtfache Gasmenge unserer Sonne enthalten, um sein Leben in einer Supernova-Explosion zu beenden. Zumeist bleibt nur das ein- bis zweifache der Sonnenmasse in dem nur noch etwa 20 Kilometer großen Himmelskörper zurück - der Rest der Materie fliegt bei der Explosion ins All und bildet einen sich langsam ausbreitenden Gasnebel, wie wir ihn bei Cassiopeia A sehen.

Mehr als das Dreifache der Sonnenmasse kann ein Neutronenstern nicht enthalten - dann versagen selbst die elementaren Abstoßungskräfte zwischen den Neutronen, der Stern kollabiert weiter und ein Schwarzes Loch entsteht. Wie groß ein Stern sein muss, damit aus ihm ein Schwarzes Loch entsteht, ist bislang unklar. Früher dachten die Astronomen, die Grenze läge etwa bei dem 25-fachen der Sonnenmasse. Doch Ende 2005 berichteten amerikanische Forscher von der Entdeckung eines Neutronensterns in einem jungen Sternhaufen namens Westerlund 1. Der Haufen enthält über 100 000 Sterne in einer nur 30 Lichtjahre großen Region. Da die Sterne alle zur gleichen Zeit aus einer riesigen Gaswolke entstanden sind, muss der Vorgängerstern dieses Neutronensterns eine größere Masse besessen haben als die massereichsten noch existierenden Sterne in dem Haufen - und diese besitzen die bis zu 40-fache Masse unserer Sonne. Schwarze Löcher scheinen also viel seltener zu entstehen als bislang gedacht.

Und das bedeutet, dass die Astronomen auch die Evolution von Sterne und Planeten neu überdenken müssen. Denn bei der Entstehung von Neutronensternen werden erheblich mehr schwere Elemente ins Weltall hinausgeschleudert als bei der Entstehung eines Schwarzen Lochs. Damit stehen mehr Baustoffe für die Entstehung von Planeten - und damit auch von Lebewesen - bereit.

So liefern uns die Beobachtungen sterbender Sterne immer wieder neue Erkenntnisse über die kosmische Herkunft auch des Menschen.