Zoologie: Papageien, die sich Namen geben. Was allzu menschlich klingt, scheint es doch nicht zu sein. Verhaltensbiologen der Universität Hamburg entdeckten bei Augenring-Sperlingspapageien eine tierische Version des menschlichen Namens.

Ob Vera, Michael oder Sophie, für uns Menschen ist es ganz natürlich, daß uns unsere Eltern einen Namen geben. Selbst unsere Haustiere bedenken wir mit mehr oder weniger kunstvollen Namenskreationen wie Hansi, Waldi, Nemo oder Jupiter.

Bisher galt dies als rein menschliche Domäne. Doch eine Gruppe von Augenring-Sperlingspapageien im Keller des Zoologischen Instituts der Universität Hamburg scheint diese nun zu Fall zu bringen. Der Hamburger Verhaltensbiologe Dr. Ralf Wanker und einige seiner Studenten brachten mit ihren Untersuchungen im Akustiklabor Erstaunliches ans Tageslicht: Die Institutspapageien geben sich gegenseitig Namen.

"Wir sind uns noch nicht ganz sicher, ob es wirklich ein spezieller Name ist, wie Hans oder Franz. Es könnte auch so etwas wie ,mein Nachkomme' oder ,mein Lebenspartner' sein, mehr eine Kategorie." Ralf Wanker zieht daher die Begriffe ,Labelling' oder ,Namensäquivalent' vor. Anstoß für die Forschung im Akustiklabor waren Freilandarbeiten in Kolumbien. Dort war dem Hamburger Forscher aufgefallen, daß die in großen Gruppen lebenden Tiere direkt aus der Masse heraus ihren Partner oder ihre Jungtiere kontaktieren konnten. Dieses Phänomen gab Rätsel auf.

Kurzerhand wurde im ehemaligen Luftschutzbunker des Zoologischen Instituts ein Akustiklabor eingerichtet, um den Kontaktruf genauer zu erforschen. Mit dem Ergebnis, daß der wohlgemerkt nur zwischen 90 und 120 Millisekunden lange Ruf, Informationen über das Individuum, das ruft, über dessen Familie und Gruppe enthält und eben auch Informationen über das Individuum, das angesprochen werden soll. Jungtiere oder Partner werden also direkt mit einem ,Namen' angesprochen. "Wir konnten das zum ersten Mal für Papageien nachweisen, so etwas Ähnliches kennt man bis jetzt nur bei einer Makakenart und von Delphinen" erläutert der Verhaltensbiologe den Stellenwert der Forschungsergebnisse.

Das Geheimnis des Kontaktrufes lüfteten er und seine Studenten wie folgt: Paarpartner (Tiere A und B) oder wahlweise ein Eltern- und ein Jungtier (Tiere A und C) wurden in separaten Käfigen mit Sichtkontakt vor Mikrofonen im Akustiklabor plaziert. Dann wurde eine Decke zwischen den Käfigen gespannt, so daß sich die Tiere nicht mehr sehen konnten. Um wieder in Kontakt zu kommen, äußerten die Tiere je einen speziellen Ruf. Die Laute wurden aufgezeichnet. Danach wurden Playbackversuche mit einem Tier (Tier C) durchgeführt. Spielte man Tier C den an ihn von Tier A gerichteten Ruf vor, so reagierte es öfter und heftiger, als wenn es den Ruf von A an B zu hören bekam. Das heißt, das Elterntier gibt Namen für seine Jungtiere und seinen Partner vor, die in der Lage sind, diese zu erkennen. Gleiches gilt umgekehrt. Das Ganze darf aber nicht mit dem generellen Phänomen der Eltern-Kind-Erkennung verwechselt werden. Diese ist mit dem bei jedem Individuum anders gestalteten vokalen Trakt verbunden, also mit der unterschiedlichen Stimmenlage.

Offen bleibt, ob es sich nun um Namen oder Kategorien handelt und ob die Namen nur innerhalb der Familie oder in der ganzen Gruppe vergeben werden. Die Namensgebung genauer zu erforschen haben sich die Hamburger Wissenschaftler fest vorgenommen und werden weiterhin Ustinov, Fiona und all die anderen Institutspapageien belauschen. Denn obwohl viele Papageien als Haustiere gehalten werden, ist über ihr natürliches Verhalten fast gar nichts bekannt.

Diese Wissenslücke versuchen die Forscher im Zoologischen Institut mit Hilfe ihrer Augenring-Sperlingspapageien zu schließen. Über neue kuriose Befunde würde sich Ralf Wanker jedenfalls nicht wundern. "Papageien haben unter den Vögeln einen sehr speziellen Stand. Sie sind sozusagen die Primaten unter den Vögeln, sind sehr hoch entwickelt, besitzen komplexe soziale Systeme und sind zu sehr großen kognitiven Leistungen fähig" begründet er seine Zuversicht. Deshalb kann man die Verhaltensbiologen zur Zeit auch vor der Voliere in Hagenbecks Tierpark antreffen. Die dort beheimateten Grünflügelaras sollen auf ähnliche Rufe untersucht werden.