Kernphysik: Hamburger entwickelt Meßverfahren zur Rüstungskontrolle. Neue Lösung für ein altes Problem? Martin Kalinowski will Atomwaffen bald frühzeitig aufspüren können.

Wie läßt sich herausfinden, ob ein Land heimlich atomwaffenfähiges Material produziert? Angesichts der aktuellen Lage im Iran wird diese Frage wieder heiß diskutiert. Zwar gibt es seit langem physikalische Verfahren, die Hinweise auf heimliche Plutoniumproduktion liefern, die Atomenergie-Organisation in Wien konnte aber bisher nicht von der Funktionalität und Kosteneffizienz dieser Methoden überzeugt werden. Jetzt entwickelt Martin Kalinowski, Professor am Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung der Uni Hamburg, ein neues Verfahren, das mehr Erfolg verspricht.

Dabei wird das Edelgas Krypton-85 gemessen, das bei der Plutoniumproduktion entsteht und in die Atmosphäre abgelassen wird, in der es sich schließlich ausbreitet (siehe Extratext). Mit Hilfe von Luftproben kann so überprüft werden, wieviel Krypton-85 sich in der Atmosphäre befindet. "Die Meßtechnik basiert auf einer Laser-Atomfalle, in der Atome auf Grund ihrer Eigenschaften und Feinstrukturen sortiert werden", erklärt Kalinowski. "Die Atome werden dabei einzeln in die Falle geschickt, so daß sich etwa eine Sekunde lang nur ein einziges Atom darin befindet. Daraufhin wird es mit einem Laser bestrahlt und gibt ein Fluoreszenz-Signal ab, anhand dessen man erkennen kann, um was für ein Atom es sich handelt." Überschreitet die Zahl der Krypton-85-Atome einen gewissen Grenzwert, kann man von einer vor kurzem stattgefundenen Plutoniumproduktion ausgehen.

Bei der Überwachung von Plutoniumproduktion zeigt sich jedoch ein Problem: Es gibt kein Verfahren, mit dem man herausfinden kann, wofür das gewonnene Material oder ein Reaktor letztendlich benutzt werden. "Das nennt man Dual-Use-Problematik, die Zweifach-Verwendbarkeit. Plutonium kann man für zivile Zwecke verwenden, zum Beispiel in Misch-Oxid-Brennelementen, die man in Kernkraftwerken einsetzt und zur Stromproduktion nutzt, es läßt sich aber auch für militärische Zwecke verwenden, nämlich zum Bombenbau", sagt Kalinowski.

Die Idee, daß Krypton-85 ein Hinweis auf Plutoniumproduktion sein kann, ist jedoch nicht neu. Bereits zu Zeiten des Kalten Krieges, als sich die USA und die damalige Sowjetunion ein Wettrüsten lieferten, versuchten amerikanische Wissenschaftler anhand von Krypton-85-Messungen zu errechnen, wie viele Atombomben die Sowjets hergestellt haben könnten. Heute überlegt die Atomenergie-Organisation, ob man mit Hilfe dieser Verfahren herausfinden kann, ob Staaten den Nichtverbreitungsvertrag, den 187 Länder unterschrieben haben und damit erklären, auf Kernwaffen zu verzichten, verletzten und heimlich Plutonium produzieren. Ein heikles politisches Thema. So vermutet Kalinowski, daß die bisherigen Vorschläge für Überwachungsmethoden mit Hilfe von Krypton-85 daran gescheitert sind, daß bestimmte Länder gar nicht daran interessiert sind, daß eine international verbreitete Überwachungsmethode entwickelt wird. So habe jüngst ein US-Wissenschaftler, der damit beauftragt war, den Abschlußbericht eines Experten-Komitees für die Atomenergie-Organisation zu schreiben, gezielt Ergebnisse manipuliert.

Es bleibt also abzuwarten, ob Kalinowski die Atomenergie-Organisation und vor allem die übrigen Experten von seiner neuen Methode überzeugen kann. Unterstützung erhofft er sich von dem von ihm neu gegründeten internationalen Experten-Netzwerk IGSE (Independent Group of Scientific Experts), mit dessen Hilfe er in den nächsten drei Jahren ein weltweites Netz von Meßstationen nutzen will, welches die Funktionalität seines neuen Meßverfahrens demonstrieren soll.

Das Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung im Internet: www.uni-hamburg.de/ZNF