Terra X: Das ZDF verbreitet eine These von Hobbyarchäologen. Gab es vor mehr als 2000 Jahren Meteoriten- und Kometeneinschläge in Süddeutschland? Im Fernsehen wird das behauptet. Forscher bestreiten das.

An einem milden Tag im Herbst 465 vor Christus soll es geschehen sein: Mit glühendem Schweif und grollendem Donner rast ein Komet auf eine keltische Siedlung im südbayerischen Chiemgau zu. Er explodiert in 70 Kilometer Höhe, feurige Geschosse schlagen Sekunden später mit der Wucht von 8000 Hiroshima-Atombomben auf den Feldern ein. In einem Gebiet von 1200 Quadratkilometern wird alles Leben ausgelöscht.

So könnte es gewesen sein - meint eine Gruppe von Hobbyarchäologen, die sich "Chiemgau Impact Research Team" nennt und vom Würzburger Geophysiker Prof. Kord Ernstson angeführt wird. Ihre Erkenntnisse, die bei Wissenschaftlern umstritten sind, werden am Sonntag in der ZDF-Dokumentation "Terra X" um 19.30 Uhr präsentiert. "Der Einschlag hat die Region für Jahrzehnte verwüstet", schrieb das "Chiemgau Impact Research Team" schon vor über einem Jahr in der Zeitschrift "Astronomy".

Mehr als 100 trichterförmige Vertiefungen, verstreut über ein 58 mal 27 Kilometer großes Gebiet, sollen die Kometentrümmer verursacht haben. Einige sind inzwischen mit Wasser gefüllt und nur so groß wie Gartenteiche, andere messen mehrere hundert Meter Durchmesser. Damit wäre das Gebiet zwischen Burghausen und dem Chiemsee das größte sichtbare Kometenfeld der Welt.

Das "Impact Team" spricht von der Stunde Null im Keltenreich, einer angeblichen archäologischen Sensation, ihre Kritiker halten das hingegen für eine "kontraproduktive Sensationsmache", wichtige archäologische Strukturen Bayerns würden durch die "unkontrollierte Suche" zerstört. Die Kritiker sind bedeutende Wissenschaftler des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, des Landesamtes für Umwelt, der Mineralogischen Staatssammlung München und Geowissenschaftler der Universität München. "Wir hätten uns natürlich auch riesig über einen Meteoriten in Bayern gefreut", sagt Dr. Jörg Faßbinder von Landesamt für Denkmalpflege. "Doch nach eingehenden Untersuchungen steht fest: Es gibt keinen Beweis für einen Meteoriteneinschlag in keltischer Zeit."

Begonnen hatte der Streit um den außerirdischen Brocken vor fünf Jahren, als die Hobbyarchäologen in einem Waldgebiet bei Burghausen winzige Metallkugeln im Boden fanden. Darin waren seltene Mineralien wie Xifengit und Gupeiit, die 1984 auch in einem Meteoriten in China nachgewiesen wurden. Prof. Ernstson von "Impact Team" ist überzeugt, daß es sich dabei um präsolares, also nicht irdisches, Gestein handelt. "Eine Sensation", jubelt "Terra X", "versuchte doch bisher selbst die Nasa vergeblich, im All präsolares Material zu gewinnen."

Angeblich veränderte das Gestein des bayerischen Kometen die antike Welt, da die Kelten extra harte Schwerter aus dem Metall schmiedeten und an die Römer verkauften. Dadurch hätten die Römer ihr Weltreich mit Waffengewalt begründen können. Der Komet als Lieferant für Waffenschmiede? "Ein Komet besteht nicht aus Gestein, sondern aus gefrorenem Wasser, Methan und Staub", sagt Faßbinder.

Die Wissenschaftler haben inzwischen durch Blei-Isotopenanalysen nachgewiesen, daß es sich bei den Gesteinsfunden keineswegs um präsolare Metallkugeln handelt. "Die Gesteine sind das Produkt natürlicher Verwitterungsvorgänge und finden sich an vielen Orten im Alpenvorland", sagt Dr. Erwin Geiss vom Bayerischen Landesamt für Umwelt. Die glasige Struktur, die das 1500 Grad heiße Kometenfeuer laut "Impact Team" in die Gesteine gebrannt haben soll, ist menschlichen Ursprungs: Brennöfen und Feuerstellen, die Faßbinder in den kraterförmigen Vertiefungen mit modernen geophysikalischen Methoden nachwies, erzeugten die Hitze.

Und noch eine weitere Theorie der Hobbyarchäologen konnte widerlegt werden: Der 370 Meter große Tüttensee ist nicht der Hauptkrater des Kometen, sondern ein "Toteisloch" aus der letzten Eiszeit. Doch trotz der Untersuchungsergebnisse wurde die bayerische Forschergruppe für die Sendung "Terra X" nicht befragt. Allein die "sensationellen Entdeckungen" des "Chiemgau Impact Research Teams" sind Thema der Sendung, obwohl die Auswertung aller Gesteinsproben noch Monate dauern wird und bisher von Geologen, Archäologen und Geophysikern trotz moderner Technik kein wissenschaftlicher Beweis für einen Meteoriten- oder Kometeneinschlag gefunden wurde. Dr. Faßbinder und seine Kollegen befürchten nun ein Goldgräberfieber am Chiemsee, bei dem viele archäologische Bodendenkmäler verloren gehen könnten.