Meeresforschung: Die Annette-Barthelt-Stiftung erinnert an das Schicksal der bei einem Terroranschlag umgekommenen Wissenschaftler.

Wenn Andrea Hampel und Frank Kösters morgen für ihre Doktorarbeiten auf dem Gebiet der Meeresforschung geehrt werden, dann halten die beiden Nachwuchsforscher einen der ungewöhnlichsten Preise in ihren Händen, der in Deutschland vergeben wird: den Annette-Barthelt-Preis für Meeresforschung. Er wird von der gleichnamigen Stiftung in Kiel vergeben. Das Ungewöhnliche daran: Ins Leben gerufen hat diese Stiftung Dr. Klaus Barthelt. Sein Ziel: Das Schicksal seiner Tochter und ihrer Freunde soll nicht vergessen werden.

"Es war am Abend des 18. März 1987, genau um 19.13 Uhr", erinnert sich der Kieler Meeresbiologe Dr. Uwe Piatkowski, "als eine Bombe im Cafe Historil in Djibouti explodierte. Es war der Vorabend einer längeren Expedition mit dem Forschungsschiff "Meteor" in den Indischen Ozean, als dort zufällig acht junge Kieler Meeresbiologen auf der Terrasse des Cafes saßen."

Annette Barthelt, Marco Buchalla und Daniel Reinschmidt verbrannten bei dem Anschlag, Hans-Wilhelm Halbeisen erlag wenige Wochen später in der Universitätsklinik in Bonn seinen schweren Verletzungen. Klaus von Bröckel, Ilka Peeken, Annegret Stuhr und Uwe Piatkowski überlebten den Anschlag trotz ihrer schweren Verbrennungen, innerer Verletzungen, Knochenzertrümmerungen, Amputationen, Hörschäden und Traumatisierung.

Die Bombe hatte ein von Gaddafi angestifteter Attentäter in der Nähe des Tisches der jungen Deutschen unauffällig deponiert. 13 Menschen starben bei diesem Terroranschlag, 41 wurden schwer verletzt.

"Überlebt haben wir nur, weil wir sofort in ein Militärhospital kamen, das gut ausgestattet war, und dann in die Uniklinik Bonn ausgeflogen wurden. Heute arbeiten wir alle am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel", sagt Uwe Piatkowski, der 1987 nach dem Unglück viele Monate in mehreren Kliniken zubringen mußte. Während dieser Zeit entschied er sich, bei der Annette-Barthelt-Stiftung mitzuwirken. Er ist im Vorstand und im wissenschaftlichen Beirat der 1988 in Bonn gegründeten Stiftung.

Seit 16 Jahren zeichnet die Stiftung junge Meereskundler aus. Der Preis ist mit einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsstipendium in Höhe von 5100 Euro verbunden.

"In diesem Jahr fiel die Wahl auf die Geophysikerin Andrea Hampel, die jetzt in der Schweiz arbeitet, und auf den Paläo-Ozeanographen Frank Kösters aus Kiel", sagt Uwe Piatkowski.

Andrea Hampel hat untersucht, wie der untermeerische Nazca-Rücken vor der peruanischen Küste, der dort mit der südamerikanischen Kontinentalplatte zusammentrifft, wandert. An dieser Kollisionszone treten häufig Erdbeben auf. "In ihrer Arbeit verknüpfte sie gleich vier Wissenschaftsdisziplinen, die Geologie, die Geophysik, die Ozeanographie und die Modellierung", erläutert der Meeresbiologe. Das Ergebnis der Arbeit: Der Nazca-Rücken taucht wesentlich langsamer unter das südperuanische Festland ab als bislang angenommen. Damit gelang es ihr, einen weiteren Baustein der Plattentektonik genauer zu bestimmen. Das hilft nicht nur den Erdbebenforschern vor Ort weiter.

Frank Kösters beschäftigte sich mit dem Nordostatlantik, genauer mit der Dänemarkstraße. Sie verläuft zwischen Island und Grönland. "An dieser Stelle fließen große Wassermengen aus der Gröndlandsee ins arktische Becken, hier ist ein Ursprung der Strömungsbewegungen im Weltozean, die wesentlich zum Klimageschehen beitragen", sagt Piatkowski. In seiner Arbeit modellierte Frank Kösters die Entwicklung dieser Strömung seit der letzten Eiszeit. Dank seiner Ergebnisse, die er äußerst verständlich zu Papier gebracht hat, haben die Klimaforscher jetzt ein wesentlich genaueres Bild über die Rolle, die die Zirkulation in den Ozeanen für das Weltklima spielt. "Das Preisgeld werden wir in diesem Jahr in voller Höhe an Andrea Hampel geben. Frank Kösters verzichtet auf das Forschungsstipendium, weil er nicht mehr in der Forschung aktiv ist", erläutert Piatkowski.

Selbständig arbeiten - das war der Traum von Annette Barthelt und ihrem Freund Daniel Reinschmidt. Die beiden Studenten wollten nach ihrem Studium mit Freunden in Frankreich ein Aquakultur-Unternehmen gründen.

Die Bombe von Djibouti zerstörte ihren Traum - nicht aber die Erinnerung an die jungen Kieler Forscher. Sie lebt auch 18 Jahren nach dem Attentat in den Wissenschaftlern weiter, die mit dem Preis ausgezeichnet werden.