Membrantechnik - Wissenschaftler wollen eine neue regenerative Energie erschließen: das Druckgefälle zwischen Salz- und Süßwasser.

Um Meerwasser zu entsalzen, wird es durch eine Membran gedrückt, die Salz zurückhält, Wasser aber durchläßt. Das kostet viel Energie. Kehrt man den Prozeß um und läßt Süßwasser durch eine Membran laufen, bei der sich auf der anderen Seite Meerwasser befindet, so wird Energie frei. Diese läßt sich zur Stromproduktion nutzen. Der norwegische Stromkonzern Statkraft will diese große regenerative Energiequelle erschließen. Spezialisten des Forschungszentrums GKSS in Geesthacht entwickeln zusammen mit weiteren europäischen Forschungspartnern dazu das Herzstück: eine Membran, die die technischen Herausforderungen eines solchen Osmose-Kraftwerks erfüllen kann.

Bereits im Jahr 1973 machte der israelische Forscher Sidney Loeb den Vorschlag, mit Hilfe der Osmose ein Kraftwerk zu errichten. Gebraucht werden zwei Wasserkörper mit unterschiedlich hohen Salzkonzentrationen. In der Natur findet man sie an Flußmündungen, wenn Süßwasser ins Meer fließt. Sperrt man das Süß- und das Salzwasser, durch eine Membran getrennt, in ein Gefäß, so besteht die Tendenz, den Konzentrationsunterschied auszugleichen. Wenn das Salz die Trennwand nicht passieren kann, funktioniert der Ausgleich als Einbahnstraße: Allein Süßwasser fließt in das Salzwasser-Abteil (der Prozeß heißt Osmose). Dort entsteht ein höherer Druck. Ein Teil des (nunmehr Brack-)Wassers fließt ab und treibt eine Turbine an.

Jahrzehntelang lag der Vorschlag für ein solches Kraftwerk auf Eis. Denn die Membrantechnik war nicht weit genug entwickelt, um eine Stromgewinnung zu ermöglichen. 1997 übernahm Statkraft die Initiative und suchte europaweit nach Forschungszentren, mit denen das Unternehmen die Vision des Osmose-Kraftwerks realisieren kann.

2001 startete ein erstes, von der Europäischen Union mit 2,5 Millionen Euro gefördertes Projekt, das im November 2004 abgeschlossen wurde. "Wir begannen mit einer Membran, die pro Quadratmeter eine Leistung von 0,02 Watt hatte", sagt Projektleiter Dr. Klaus-Viktor Peinemann vom Institut für Chemie der GKSS. "Unsere heutige Membran liegt bei zwei W/m2. Bei einem Wert von etwa fünf W/m2 ist die Wirtschaftlichkeit erreicht."

Im Hafen von Trondheim soll derzeit ein Mini-Modell mit sechs Quadratmeter Membran seine Praxistauglichkeit beweisen. Dabei ist zum Beispiel die Frage zu klären, wie oft die Membran gereinigt werden muß. Ein Membran-Kraftwerk müßte mindestens eine elektrische Leistung von ein Megawatt (MW) haben - und damit eine Membranfläche von 200 000 Quadratmeter. Sie hängt nicht wie ein Bettlaken im Fluß, sondern wird eng aufgewickelt und in Röhren gesteckt. Das Flußwasser und etwa die doppelte Menge Meerwasser fließen dann durch große Röhrenbündel. Ein 25-MW-Kraftwerk bräuchte etwa 40 000 Quadratmeter Platz, rechnet Statkraft vor. Es hätte die Dimension einer Fabrik oder eines Sportkomplexes und könnte landschaftsschonend auch unterirdisch errichtet werden.

Im Februar begann nun die zweite Projektphase "Wir arbeiten mit Membranspezialisten der Universität Twente in Holland und dem Forschungsinstitut SINTEF in Trondheim zusammen", sagt GKSS-Projektingenieurin Karen Gerstandt. Finanziert wird das Vorhaben zur Hälfte von Statkraft und vom Land Norwegen. Es gilt, den Leistungssprung auf fünf Watt pro Quadratmeter Membran zu schaffen. Die Geesthachter Variante hat bereits ein theoretisches Potential von fünf Watt, liefert in der Praxis aber nicht einmal die Hälfte. Woran dies liegt, ist nicht ganz klar, wohl aber das Ziel der weiteren Entwicklung: Es muß mehr Wasser durch die Membran fließen, ohne daß Salz durchdringt.

Die weitere Optimierung werde nicht einfach sein, wissen die Geesthachter Forscher. Statkraft ist dennoch optimistisch. Der Konzern rechnet damit, daß zwischen 2010 und 2015 ein Osmose-Kraftwerk entwickelt ist, das den Öko-Strom für etwa fünf Eurocent pro Kilowattstunde produzieren kann - und damit im unteren Kostenbereich der erneuerbaren Energien liegt.

Wenn ähnliche Werte tatsächlich erreicht werden, könnte die Osmosetechnik eine wichtige Energiequelle werden. Allein für Norwegen sieht Statkraft ein technisches Potential der Stromproduktion von bis zu 25 Terrawattstunden - etwa 20 Prozent des norwegischen Bedarfs. Dazu bräuchte es eine schlagkräftige Membranproduktion: Um zehn Prozent des europäischen Osmose-Potentials auszuschöpfen, würden etwa 700 Millionen Quadratmeter Membran gebraucht, so Statkraft.

An den norddeutschen Flußmündungen ist das Potential der Osmose-Energie allerdings kaum zu nutzen: Die Brackwasserzonen der Flußmündungen sind zu ausgedehnt, als daß der Konzentrationsunterschied von Fluß- und Meerwasser zur Stromproduktion dienen könnte.