Dummys: Kieler Forscher haben Spezial-Puppen in Kindergröße entwickelt. Sie werden bei Crashtests eingesetzt - und sollen die Qualität von Kinderwagen, Spielgeräten und Fahrradsitzen verbessern

Kinder sind verletzlich - und besonders als Mitfahrer im Auto gefährdet, wie die Unfallstatistik belegt. Jetzt haben Kieler Wissenschaftler eine Puppe entwickelt, die bei Tests von Autokindersitzen genauere Ergebnisse liefern soll. Für die Herstellung der "Kieler Kinder" genannten beweglichen Dummys ermittelte die Forschungsgruppe Industrieanthropologie der Universität Kiel Daten von 500 Kindern. Vier Prototypen der so genannten Handhabungspuppen sind bereits im Einsatz, ein Dummy in Säuglingsgröße ist in Vorbereitung.

"Kinder waren als Verbraucher lange Zeit nicht interessant - bei vielen Dummys wurden zum Beispiel die Gewichtsproportionen nicht ausreichend berücksichtigt", sagt der Mediziner Konrad Helbig. Unfallforscher Bernhard Schmitt bestätigt, die für die Herstellung von Kinder-Dummys notwendigen Daten wie Größe und Gewicht seien nur lückenhaft erfasst gewesen. "Wie groß ist zum Beispiel ein Sechsjähriger im Mittel? Darum hat man sich bisher nicht groß gekümmert", sagt Schmitt.

Im Auftrag der Stiftung Warentest und gefördert durch die EU-Kommission entwickelte das sechsköpfige Kieler Team um den Anthropologen Hans W. Jürgens vier Nachwuchs-Dummys: je einen kleinen und einen großen Dreijährigen, einen Sechsjährigen sowie einen 1,50 Meter großen.

Die Warentester frohlocken bereits: "Die Puppen erleichtern uns nicht nur den Test von Autokindersitzen. Sie eignen sich auch, um die Passform zu beurteilen: bei Kinderwagen, -möbeln, -fahrradsitzen und Klettergerüsten", heißt es in der Online-Ausgabe der Test-Zeitschrift.

Auch der Automobilclub ADAC begrüßt die Neuerung. "Man kann für die Verkehrssicherheit von Kindern nicht genug tun", betont der ADAC-Vizepräsident für Tourismus, Max Stich. "Es passieren leider immer wieder Unfälle mit Kindern, weil diese im Auto unzureichend gesichert sind."

Unfallzahlen des Statistischen Bundesamtes belegen: Kinder sind als Mitfahrer im Auto besonders gefährdet. 2002 verunglückten demnach in Deutschland 41 263 Kinder unter 15 Jahren bei Verkehrsunfällen - 35 Prozent davon (14 520) als Pkw-Insassen. 33 Prozent waren mit dem Fahrrad unterwegs, 27 Prozent als Fußgänger. Im vergangenen Jahr verunglückten knapp 13 500 Kinder unter 15 Jahren in Deutschland als Mitfahrer im Auto.

Mediziner Helbig ist überzeugt: "Mit unserem Dummy kann man viele Produkte für Kinder besser beurteilen, als wenn man drei bis vier beliebige Kinder hineinsetzt, wie das bisher gemacht wurde."

Um die Dummys lebensecht zu machen, berücksichtigten die Forscher 100 Einzelmaße bei der Konstruktion der Puppen. "Die Spanne ist enorm", erläutert Designer Norbert Vogt. "Ein Dreijähriger etwa kann zwischen 13 und 21 Kilo wiegen und 93 bis 110 Zentimeter groß sein, wobei die Extreme unberücksichtigt bleiben."

Nach Darstellung ihrer Entwickler kommen die "Kieler Kinder" in ihrer Variabilität den menschlichen Vorbildern sehr nahe. Norbert Vogt räumt gleichwohl ein: "Letztlich sind das alles Kompromisse für bestimmte Anwendungsmöglichkeiten - einen Menschen nachzubauen ist unmöglich."