5400 Mitbringsel in Fässern und Säcken brachte der Naturforscher mit. Welche bewogen ihn zu seiner bis heute gültigen Theorie? Antworten dazu im Naturkundemuseum Berlin.

Überall stehen offene Kisten, Fässer und Säcke - das Naturkundemuseum Berlin packt Darwins Schätze aus. Auch im letzten Winkel des nachgebauten Schiffsrumpfes der "HMS Beagle", mit der Darwin 1831 bis 1836 die Welt umsegelte, erzählen mehr als 350 Exponate von seinen Erkenntnissen - 32 Ausstellungsstücke sammelte der Schöpfer der modernen Evolutionsbiologie, die Etiketten tragen noch seine gestochen scharfe Handschrift.

Das Schwanken der "Beagle" in der See, die Quelle der nicht enden wollenden Seekrankheit Darwins, kann man in der Ausstellung "Darwin - Reise zur Erkenntnis" nicht spüren. Auch die Enge an Bord bleibt dem Besucher erspart, weil die nur sieben Meter schmale Bark auf 15 Meter gewachsen ist. Dennoch stellt sich das Gefühl ein, im Bauch eines Schiffes zu sein. Es riecht nach Holz, man geht über graubraune Planken, unter Schiffsspanten, auf denen (ausgestopfte) Katzen auf (ausgestopfte) Ratten lauern. Im Hintergrund rauscht das Meer, schreien Möwen.

"Darwin sammelte auf seiner Weltreise mit ungebremster Neugier. Alle Funde wurden in Fässer und Kisten verstaut und an den Naturforscher John Stevens Henslow im englischen Cambridge geschickt", sagt Kurator Dr. Matthias Glaubrecht. "Das kann man nicht alles darstellen. Wir wollen, dass Besucher leibhaftig nacherleben, was Darwin wo sammelte, welche der 5400 Fundstücke ihn bewogen, an der biblischen Schöpfungstheorie zu zweifeln."

Das waren vor allem die Funde, die er an den folgenden acht Stationen seiner Reise machte: auf den Kapverden, im brasilianischen Urwald, in der Patagonischen Pampa, auf den Falklandinseln, in Feuerland, bei Valparaiso, auf den Galapagosinseln, auf Tahiti und in Australien. So landeten auf den 800 Quadratmetern 350 Exponate in offenen Fässern und Kisten. Darunter auch die Probe 2899 - ein Röhrchen mit Staub. "Am Morgen, ehe wir in Porto Praya (Kapverden, Anm.) vor Anker gingen, sammelte ich ein kleines Päckchen braun gefärbten feinen Staubes", notierte Darwin im Reisetagebuch am 10. Januar 1832. Diese Probe schickte er dem berühmten Berliner Naturforscher Prof. Christian G. Ehrenberg. "Der Mikrobiologe entdeckte in dem Staub aus der Sahara, der auf das Meer geweht worden war, Kieselalgen, Bakterien, Pilzsporen, 61 unterschiedliche Arten", erzählt Glaubrecht. Darwin machte also auch das Staubwischen zur Wissenschaft.

Andere Originale wie Schachteln, die noch Krümel der Pilzkorallen aus Neuseeland enthalten, Briefe und Dokumente wurden aus Cambridge nach Berlin gebracht. Die meisten Stücke stammen aus dem Fundus des Museums - Gürteltiere aus Brasilien, Kegelschnecken aus Tahiti, versteinerte Überreste von "Darwins Riesenfaultier" aus Patagonien, Landschildkröten von den Galapagos, Schnabeltiere aus Australien, Jaguarfelle aus Montevideo: und die berühmten Finken.

Zehn präparierte Vögel liegen auf grobem Sackleinen unter Glas. Die unscheinbaren braunen Vögel unterscheiden sich in der Schnabelform, doch Darwin hatte dafür keinen Blick. Erst der britische Ornithologe John Gould öffnete Darwin ein Jahr nach seiner Rückkehr die Augen. Während Darwin annahm, dass die Vögel aus unterschiedlichen Familien stammten, überzeugte ihn Gould, dass sie zu einer nur auf den Galapagosinseln heimischen Vogelfamilie zählen. Damit war der Grundstein für den Mythos um die Darwin-Finken, die erst im 20. Jahrhundert nach ihm benannt wurden, gelegt. Für Darwin spielten die Vögel zunächst keine große Rolle. Heute gelten sie als klassisches Beispiel für die Anpassung und Aufspaltung einer Art infolge unterschiedlicher Lebensbedingungen. Durch Selektion entwickeln sich aus alten Arten neue. Diese bahnbrechende Erkenntnis hat Darwin erst 20 Jahre nach seiner Rückkehr niedergeschrieben. In seiner knapp drei mal drei Meter großen Kabine - schlafen musste er in einer Hängematte über dem Kartentisch - waren ihm solche Gedanken noch fremd.

Das Berliner Naturkundemuseum erzählt in der Ausstellung "Evolution in Aktion" auch den zweiten Teil der Reise zur Erkenntnis. In ihr finden sich Darwins bahnbrechenden Werke "Über die Entstehung der Arten", die "Bildung von Korallen", sein "Regenwurmbuch", das zu Lebzeiten ein Verkaufsschlager war - und biografische Informationen. Auf die Weltumsegelung folgte die mehr als zwei Jahrzehnte dauernde intellektuelle Reise, die er zu Hause am Schreibtisch, im Garten und Gewächshaus unternahm. Diese lieferte das Fundament, das die Biologie bis heute trägt.

Ein legendärer Beweis für Darwins Theorie, dessen Existenz der Naturforscher vorausgesagt hatte, ist auch im Museum zu sehen: Archäopteryx, der Urvogel, 1861 entdeckt in Solnhofen. Zwei Jahre nachdem Darwins epochales Werk "Über die Entstehung der Arten" erschienen war.


Museum für Naturkunde, Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung an der HU Berlin, Invalidenstr. 43 www.naturkundemuseum-berlin.de