Ein preiswerter, robuster und mobiler PC für junge Leute - das begeistert viele. Ob Hamburger Schüler ihn nutzen sollen, ist umstritten.

Mit seinem quietschgrünen Plastikgehäuse, der wasserfesten Gummitastatur und den niedlichen, links und rechts wie Hörnchen am Bildschirm angebrachten Antennen sieht das Gerät eher aus wie ein Kinderspielzeug. Doch es ist ein vollwertiger PC. Man kann damit schreiben und rechnen, im Internet surfen und mit anderen via E-Mail, Telefon oder Videokonferenz kommunizieren. Man kann ihn als Lernhilfe verwenden, ihn programmieren und natürlich auch mit ihm spielen.

Erdacht hat den XO, auch bekannt als "100-Dollar-Laptop", die gemeinnützige Organisation "One Laptop per Child". Die Vision: allen Kindern, wo auch immer sie leben, einen bezahlbaren, mobilen und unverwüstlichen Computer zur Verfügung zu stellen und damit für mehr Chancengleichheit zu sorgen. Ging es dabei zunächst um Entwicklungs- und Schwellenländer, interessieren sich zunehmend auch Pädagogen in anderen Regionen der Welt für den ebenso flexiblen wie robusten Kinder-PC.

Auch für Hamburger Schulprojekte berge der XO ein enormes Potenzial, meint Gert Issleib, Chef einer Hamburger IT-Firma. "Er ist wesentlich leichter und genügsamer als andere Geräte, er ermöglicht echtes E-Learning ohne Hürden und problemloses vernetztes Arbeiten." Mit seiner kompakten Form und seinem Gewicht von 1,4 Kilogramm sei er "vollgepackt mit Innovationen, darunter eine neuartige Bedienoberfläche, ein optimal lesbares Display und ein integrierter Funkchip samt Vernetzungslogik."

Ganz selbstlos ist das Engagement des IT-Spezialisten freilich nicht. Seine Firma soll die Netzwerktechnik und den zentralen, alle Geräte verbindenden Server beisteuern und damit sicherstellen, dass die vermeintlichen Spielzeug-PCs auch an entlegenen Orten Verbindung mit dem Internet aufnehmen können. Der XO soll aber erst dann in Serie gehen, wenn fünf Millionen Stück bestellt sind. "Mit jedem verkauften Gerät sinkt der Preis, und umso größer ist die Chance, dass das Projekt zu einem Erfolg wird", sagt Issleib. Würden die Hamburger Schulen einsteigen, wäre also auch den ursprünglichen Adressaten in den Entwicklungs- und Schwellenländern gedient.

Auch vom pädagogischen Standpunkt aus scheint der auf den ersten Blick ungewöhnliche Vorschlag eine nähere Betrachtung wert. So setzt sich die in der Gesellschaft für Informatik organisierte Fachgruppe der Hamburger Informatiklehrer (GI-HILL) für die Idee ein. "Der XO ist für den Informatik-Unterricht an den Schulen wie geschaffen", erklärt GI-HILL-Sprecher Uwe Debacher. "Das Gerät ist preiswert und eigens für Kinder ab sieben Jahren konzipiert. Es hat eine Akkulaufzeit von sechs bis acht Stunden und ist so leicht und stabil, dass die Schüler es immer bei sich tragen können - die Barriere zwischen Schule und zu Hause wäre damit aufgehoben."

Torsten Otto, Leiter der Laptop-Klasse an der Wichern-Schule in Horn, hat sich von den Vorzügen des ungewöhnlichen Lehrmittels überzeugen lassen. "Beim Unterricht mit Laptops soll vor allem die Eigenständigkeit der Schüler gefördert werden", sagt der Computer-Pädagoge. Es gehe eben nicht darum, in festgelegten Unterrichtseinheiten vor dem Bildschirm zu sitzen. Vielmehr sollen die Schüler "den PC als flexibles Werkzeug und ständigen Begleiter kennenlernen, sich neue Kooperations- und Kommunikationsmöglichkeiten und Informationsquellen erschließen, die sich auch in den Unterricht in anderen Fächern integrieren lassen." Das sei mit einem teuren High-Tech-Laptop nicht so einfach, da ein solches Gerät aus Kostengründen nicht jedem Schüler zur Verfügung gestellt werden könne. Ein XO sei zudem handlicher, robuster und "für ein gemeinsames, projektbezogenes Arbeiten bestens geeignet".

Aber sollten die Schüler den Umgang mit Computer nicht eher an solchen Geräten und mit solchen Programmen lernen, die sie im späteren Berufsleben vorfinden werden? "Es genügt nicht zu wissen, wo der Knopf XY bei Word ist", sagt GI-HILL-Sprecher Debacher. Es sei unsinnig, den Schülern den Umgang mit Software beizubringen, die in drei Jahren veraltet sei. "Wir wollen vermitteln, wie ein Computer funktioniert und wie man strukturiert und effektiv damit arbeitet. Und hier bekommen wir mit dem XO für weniger Geld ein besseres Gerät."

Angesichts solcher Vorteile scheint unverständlich, dass die zuständige Behörde für Bildung und Sport eine Genehmigung für die Bestellung der 100-Dollar-Laptops bislang verweigert. Das sieht Arthur Gottwald, Oberschulrat und Leiter des Referats "Schule und Medien", allerdings etwas anders. "Den Schülerinnen und Schülern sollen möglichst weit gefächerte Erfahrungsräume geboten werden, um ihre Medienkompetenz zu entwickeln", erklärt er. Und diese müsse sich in ihrer realen Lebenswelt bewähren können: "Die mediale Welt innerhalb und außerhalb der Schule darf deshalb nicht zu weit auseinanderliegen."

Im Rahmen des 1999 gestarteten Projekts "Lernen mit neuen Medien" sei allen staatlichen allgemeinbildenden Schulen in Hamburg eine Grundausstattung mit Hard- und Software bereitgestellt worden, die regelmäßig aktualisiert und ergänzt werde. Dazu gehörten nicht nur der Multimediacomputer bzw. das Notebook als Lernwerkzeug, sondern weitere digitale Medien wie Scanner, Beamer, digitale Kameras und interaktive Whiteboards, die auch als Werkzeuge im Unterricht eingesetzt würden.

Gerade weil nicht der Computer im Vordergrund stehe, sondern seine Funktion als "Dienstleister im Sinne eines Lernwerkzeugs, sind gewisse technische Standards unabdingbar". Diese wurden zunehmend durch die Beschaffung über zentrale Ausschreibungen erreicht, denen eine Ermittlung des pädagogisch sinnvollen technischen Standards vorausging. "Wichtig dabei ist, dass die Ausstattung von Schulen keine Insellösungen darstellen", so Gottwald. Nur so sei die notwendige Verlässlichkeit und Verfügbarkeit der Geräte gewährleistet.

Den Vorwurf mangelnder technischer Verlässlichkeit wollen die XO-Befürworter nicht gelten lassen. "Schließlich", so Gert Issleib, "wird ein Gerät, das für den Einsatz in den entferntesten Winkeln der Erde gebaut wurde, auch dem Alltag in einem Hamburger Schulrucksack gewachsen sein."

Infos im Internet:

www.gi-hill.de

http://www.laptop.org/

http://de.wikipedia.org/wiki/ 100-Dollar-Laptop