Rohr. Dürre, Stürme, Schädlinge - massenhaft Bäume sterben im Zuge der Klimaerwärmung in Deutschland ab. Wie können Wälder fit für die Zukunft werden? Zu Besuch in einem „Zukunftswald“.

Viele Meter ragen die Kiefern in die Höhe. Darunter wachsen junge Eichen, Rotbuchen, Vogelbeeren, Birken und noch einige andere Baumarten. Ein Mischwald, wie er auf natürliche Weise rund um die bayerische Gemeinde Rohr in Mittelfranken nicht vorkommt. Doch er könne die Zukunft sein, hofft Waldbesitzer Ralf Straußberger. „Wenn die Kiefern sterben, habe ich den nächsten Wald schon dastehen.“

Kiefernwälder, die die Gegend hauptsächlich prägen, haben nach Ansicht von Fachleuten wegen der Klimaerwärmung keine langfristige Überlebenschance. Deshalb hat sich der Forstwirt und Waldexperte vom Bund Naturschutz mit anderen Waldbesitzern in der Region zusammengetan, um insgesamt 300 Hektar zu einem „Zukunftswald“ umzubauen, wie sie es nennen. Fast eine Million Setzlinge haben Baumschulen dafür seit 2011 gepflanzt. „Wir haben hier das größte Waldumbauprojekt in Bayern im Privatwald“, sagt Straußberger.

Auch anderswo in Deutschland machen sich Forstverwaltungen, Waldbesitzer, Initiativen und Wissenschaft Gedanken, wie der Wald steigenden Temperaturen und zunehmender zeitweiser Trockenheit trotzen kann. Wie wichtig der Erhalt der Wälder ist, darauf weist jedes Jahr am 21. März der Internationale Tag des Waldes der Vereinten Nationen hin. Doch was macht den Wald in Deutschland eigentlich aus? Und wie kann der Umbau gelingen?

Die Ausgangslage

11,4 Millionen Hektar Deutschlands sind laut Bundeswaldinventur 2012 bewaldet und damit etwa ein Drittel der Landesfläche. Die häufigsten Baumarten sind Fichte und Kiefer - ein Erbe unserer Geschichte: Im Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert wurden viele Wälder kahlgeschlagen und mit diesen schnell wachsenden Baumarten aufgeforstet. Diese Monokulturen erweisen sich heute aber als besonders anfällig für Schädlinge, Stürme und Hitze. Fast drei Millionen Hektar Wald müssen deshalb nach Angaben des Verbands der Waldeigentümer in Deutschland umgebaut werden. Die Kosten liegen demnach bei bis zu 43 Milliarden Euro in den nächsten 30 Jahren.

Die mögliche Lösung und ein Problem

„Man versucht, das Artenspektrum zu vergrößern, um das Risiko zu minimieren“, fasst Erwin Hussendörfer, Professor für Waldbau an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf in Freising, das allgemeine Credo zusammen. Dabei gibt es jedoch ein Problem: „Bäume werden 100, 200 Jahre alt. Da wird es schwierig mit Prognosen, wie sich das Klima bis dahin verändert.“ Deshalb könne man aktuell nur Annahmen machen, bestimmte Baumarten wie Kiefer und Fichte ausschließen und andere dafür favorisieren. Fest steht aus seiner Sicht: „Unsere Wälder werden künftig anders aussehen.“ Und der Waldumbau gehe viel zu langsam. „Die Zeit läuft uns davon.“

Wald oft in Privatbesitz

Fast die Hälfte des Waldes in Deutschland ist in Privatbesitz. „95 Prozent der Waldbesitzer haben eine Waldfläche kleiner als 20 Hektar. Für viele sei der Wald ein Hobby, eine Familientradition“, sagt Irene Seling, Hauptgeschäftsführerin vom Verband der Waldeigentümer. Zum Teil wohnen sie weit entfernt von ihrem Waldstück oder finden aus beruflichen Gründen keine Zeit, es zu bewirtschaften - geschweige denn, es klimatauglich umzubauen. Zumal oftmals das Fachwissen dafür fehlt. „Es wird nicht möglich sein, die eine Lösung für alle zu entwickeln“, meint Seling.

Auch Ralf Straußberger hat seine 20 Hektar Wald von seinen Eltern geerbt. Als Experte ist er jedoch im Vorteil: Seit Langem experimentiert er in den zehn Waldstücken, wie sich Mischwald am besten nachziehen lässt. Seine Erfahrung: Auf kleinen Flächen sei es schwieriger, das umzusetzen. „Es ist teurer, ineffektiv und mit der Jagd funktioniert es auch nicht.“

Deshalb hat er sich in Rohr für das Waldprojekt mit Nachbarn zusammengeschlossen. „Dadurch haben sich auch Eigentümer motivieren lassen, die nicht so viel Ahnung haben.“ Ein wichtiger Baustein dabei: Straußberger und andere Revierpächter gehen in dem Projektgebiet verstärkt auf Reh-Jagd, damit das Wild die jungen Bäumchen nicht massenhaft herunterknabbert. So komme man ohne teure Zäune aus, sagt er. „Dadurch ist es wesentlich lukrativer. Mit Zaun zahlt man trotz staatlicher Förderung bei der Waldverjüngung drauf.“

Wachsen lassen oder eingreifen?

Doch wieso kann man den Wald nicht einfach sich selbst überlassen? Die Natur regelt es schon selbst - könnte man meinen. „Der Wald braucht den Menschen nicht. Aber wir brauchen den Wald“, sagt Ulrich Schraml, Direktor der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg in Freiburg. Deshalb müsse man ihn so gestalten, dass auch die nächste Generation noch etwas von ihm habe. „Die Natur kann nur das abrufen, was da ist“, ergänzt Straußberger. Sprich: In reinen Kiefern- und Fichtenwäldern werden von allein keine Buchen wachsen, weil die Mutterbäume mit ihren Früchten fehlen.

Seltene Arten und junge Bäume haben aus Sicht von Schraml außerdem mehr Chancen zu wachsen, wenn man gezielt alte Bäume fällt. „Wenn zu viele große Bäume stehen, dann nehmen diese den Kleinen Wasser und Licht weg.“ Davon profitierte zum Beispiel auch die seltene Mehlbeere, die nicht besonders hoch werde, aber viel Sonne brauche. Allerdings stelle sich die Frage, wie stark man eingreife, meint Waldbauexperte Hussendörfer. „Auf vielen Flächen sollte man die natürliche Entwicklung eine Weile beobachten und diese dann sinnvoll ergänzen.“