Die ersten Anzeichen des Klimawandels seien laut der Experten bereits sichtbar. Die Salzarmut gefährdet den Dorsch, die Scholle und die Seezunge.

Rostock/Hamburg. Der Klimawandel führt dazu, dass das Wasser der Ostsee allmählich versauert und Salz verliert. Dies werde das Leben in dem Binnenmeer nachhaltig beeinträchtigen, warnen Ostseeforscher im Vorfeld eines zweitägigen Meeresumweltsymposiums, das das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie kommende Woche in Hamburg ausrichtet. Erste Anzeichen des Wandels seien bereits sichtbar.

Bei der Versauerung löst sich das Kohlendioxid aus der Atmosphäre als Kohlensäure im Meerwasser. Offenbar hat sich in den vergangenen Jahrzehnten der Austauschprozess zwischen Luft und Wasser verändert. In der Ostsee sei das Ansteigen des Säuregehalts bereits messbar, sagte Ulrich Bathmann, Leiter des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung in Rostock-Warnemünde. In der Folge könnten kalkbildende Tiere wie Muscheln, Meeresschnecken und Kleinstlebewesen (Zooplankton) in Schwierigkeiten geraten.

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"Wir wissen nicht, mit welchem Säuregrad die Organismen gerade noch zurechtkommen und ab welchem Schwellenwert dies nicht mehr der Fall ist", sagte Bathmann. "Ein höherer Säuregehalt macht sie sicherlich sensibler für schädliche Einflüsse."

Mit dem Klimawandel könnte auch ein weiterer Negativtrend zusammenhängen: "Es gibt kaum noch starke Einströme von Salzwasser aus der Nordsee in die Ostsee", sagt Christopher Zimmermann, stellvertretender Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Rostock.

Das frische Nordseewasser sinkt in die tieferen Becken der Ostsee ab und versorgt sie auf diese Weise mit Sauerstoff. Doch seit etwa 20 Jahren stockt die natürliche Belüftung. Nur die Winter 1993, 2003 und abgeschwächt die Herbststürme 2011 brachten frisches Nordseewasser in die Ostsee; früher gab es fast in jedem Jahr Wetterlagen, die für Salzwassernachschub sorgten.

Die Szenarien der Klimaforscher legen nahe, dass ein zweiter Effekt den Salzgehalt der Ostsee sinken lässt: Sie gehen davon aus, dass im Einzugsgebiet des Binnenmeeres der Niederschlag zunehmen und somit vermehrt Süßwasser einfließen wird. Fischereiforscher Zimmermann sorgt sich vor allem um den Dorsch: "Er ist ein Salzwasserfisch und kann damit schlecht umgehen. Auch wenn die Bestände sich gerade erholt haben, ist zu befürchten, dass der Dorsch sich bei einem sinkenden Salzgehalt langfristig über Kattegat und Skagerrak in die Nordsee zurückzieht." Ähnliches gelte für Schollen und Seezungen.

Vermehrte Niederschläge könnten zudem die jahrzehntelangen Anstrengungen der Umweltschützer gegen die Überdüngung der Ostsee zunichte machen, warnt Jochen Lamp von der Umweltstiftung WWF: "Vor allem Starkregenfälle waschen Äcker und Moore aus und transportieren Nährstoffe in die Ostsee. Das fördert massive Algenblüten. Wenn die Algen dann absterben, werden sie zersetzt. Dadurch verschärft sich die sommerliche Sauerstoffarmut in vielen Bereichen der Ostsee."

Auch der Temperaturanstieg werde das Leben in der Ostsee beeinflussen, so Lamp. So gebären die im nördlichen Teil lebenden Ringelrobben ihren Nachwuchs ausschließlich auf dem Eis.