Taipei. Menschengemachter Stickstoff sogar in Riffen auf offenem Meer nachgewiesen

Selbst Korallenriffe an einem kleinen Atoll im Südchinesischen Meer enthalten Stickstoff, der aus Abgasen stammt. Forscher aus Taiwan haben entsprechende Ablagerungen im Dong­sha Atoll nachgewiesen, das über 300 Kilometer südöstlich von Hongkong liegt. In jüngeren Korallenschichten stammten wahrscheinlich 20 Prozent des Stickstoffs von menschengemachten Verbindungen, schreibt das Team um Haojia Ren von der National Taiwan University in Taipei im Fachjournal „Science“.

Der Mensch produziert durch Düngemittel und mit dem Verbrennen von Gas, Öl und Kohle seit Jahrzehnten immer mehr Stickstoffverbindungen, die auch in die Atmosphäre gelangen. Sie sind nicht nur ein Dünger für Wälder, sondern zunehmend auch für pflanzliches Plankton.

Normalerweise stammen die Stickstoffverbindungen für das Plankton in oberen Meeresschichten und daraus folgend auch für Korallen vor allem aus tieferen Regionen. Eine geringe Rolle spielt die Umwandlung von nichtreaktivem Luftstickstoff (N2) durch Phytoplankton. Aber nun werden immer größere Mengen an Stickstoffbindungen auch über die Atmosphäre in die Ozeane transportiert.

Die Forscher analysierten Proteine, die in bis zu 45 Jahre alten Schichten von Steinkorallen eingeschlossen waren. Sie bestimmten das Verhältnis von zwei Stickstoffsorten, dem Isotop 15N und dem Isotop 14N. Aus dem Verhältnis der Isotope lässt sich auf den Anteil menschengemachter Verbindungen in der Probe schließen. Denn bei der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas wird vergleichsweise viel 14N frei. So entsteht über die Zeit hinweg Schicht für Schicht eine Messlatte für die Aufnahme von Stickstoff aus Abgasen.

Den ersten klaren Anstieg habe es bereits kurz vor dem Jahr 2000 gegeben. Nach der Jahrtausendwende sei der Gehalt rasch gestiegen, schreiben die Forscher. 2010 kamen demnach schon 20 Prozent des von Organismen an der Ozeanoberfläche aufgenommenen Stickstoffs vom Menschen.

Der Stickstoff könne theoretisch zwar auch vom Ackerbau und dem industriellen Dünger stammen, schreibt Ed Boyle vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge in einem „Science“-Kommentar.

Der relativ späte Anstieg der Kurve stimme jedoch sehr gut mit der Verbreitung von Autos und Kohlekraftwerken in China überein. Bislang seien menschengemachte Stickstoffverbindungen unter anderem schon in Eisbohrkernen und abgelegenen Seen nachgewiesen worden.