Hamburg. Hamburg City Health Study: Mediziner verraten erste Erkenntnisse. Zwischenbilanz mit Abendblatt-Lesern in der Elbphilharmonie

Herzinfarkt, Schlag­anfall, Krebs – keine leichten Gesprächsthemen, insbesondere vor einem breiten Publikum. Dennoch ging es mitunter sogar heiter zu, als am Montagabend neun Forscher vom Uniklinikum Eppendorf (UKE) im kleinen Saal der Elbphilharmonie über Hamburgs umfangreichstes Gesundheitsprojekt informierten. Zu verdanken war das Moderator und Arzt Johannes Wimmer, bekannt durch Sendungen im NDR und Erklärvideos auf YouTube. Er fragte die rund 500 Zuhörer zu Beginn, wer von ihnen denn bei der sogenannten Hamburg City Health Study (HCHS) mit­mache.

Etliche Gäste auf den Rängen hoben die Hand. „Sie möchten also endlich wissen, was da in der Klinik eigentlich untersucht wurde?“, fragte Wimmer. „Dann gehen Sie doch bitte erst einmal raus, damit wir hier besprechen können, was gefunden wurde“, sagte er und erntete damit viele Lacher. Im Publikum waren auch 300 Abendblatt-Leser, die im Vorfeld ihre Fragen zur Gesundheitsstudie schicken und kostenfrei an der Veranstaltung in Hamburgs neuem Konzerthaus teilnehmen konnten. Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider hatte die Gäste begrüßt.

Erstaunlich oft fiel an diesem Abend der Satz: „Wir wissen es nicht genau.“ Insbesondere das Zusammenspiel von genetischer Disposition, also einer anlagebedingten Anfälligkeit, und anderen Faktoren wie Bewegung, Ernährung, Wohnort und Arbeitsplatz sei für die Entstehung von Krankheiten erst ansatzweise erforscht, sagten die Wissenschaftler auf dem Podium um den Studienleiter und Kardiologen Prof. Stefan Blankenberg.

45.000 Menschen aus Hamburg sollen teilnehmen

Die HCHS startete vor zwei Jahren. Sie ist nach Angaben der Organisatoren die größte ortsbezogene Langzeitstudie der Welt. Etwa 6000 Hamburger zwischen 45 und 74 Jahren haben sich schon am Uniklinikum Eppendorf (UKE) medizinisch untersuchen lassen; insgesamt sollen bis zu 45.000 Menschen aus der Hansestadt teilnehmen. Dabei geht es darum, die Entstehung bestimmter Volkskrankheiten besser zu verstehen. „Das ist die Allgemeinheit, die wir hier abbilden“, sagte Prof. Uwe Koch-Gromus, Dekan der Medizinischen Fakultät des UKE. Die Erkenntnisse könnten vor allem zu einer besseren Früherkennung und Prävention von Herzinfarkt, Herzschwäche, Vorhofflimmern, Schlag­anfall und vaskulärer Demenz führen, die sich als Folge von Durchblutungsstörungen im Gehirn entwickelt.

Bei der Gesundheitsstudie arbeiten mehr als 30 Kliniken und Institute des UKE zusammen. Dabei geht es nicht nur um Krankheiten von Herz und Gehirn, sondern auch um andere weitverbreitete Krankheiten. So werden die Teilnehmer auf Anzeichen von Diabetes, Haut- und Prostatakrebs, Gefäßerkrankungen (Thrombose, das Aortenaneurysma und arterielle Durchblutungsstörungen in den Beinen), Lungenerkrankungen und einer Depression getestet. Außerdem werden die Probanden auf ihre Mundgesundheit untersucht und darauf, wie gut sie das Altern bewältigen. Sechs Jahre nach der ersten Untersuchung folgt eine zweite Analyse.

Das Ziel ist, durch umfangreiche Tests, etwa Blutuntersuchungen, Bildgebung mit dem Ultraschall und der Kernspintomografie, sowie detaillierte Befragung diejenigen Personen herauszufiltern, die bestimmte Volkskrankheiten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit erleiden werden. Darauf aufbauend könnten Ärzte diese Menschen schon frühzeitig therapieren. Zum Beispiel fällt das Vorhofflimmern, eine Rhythmusstörung in den Herzvorhöfen, häufig erst dadurch auf, dass der Betroffene einen schweren Schlaganfall erleidet.

Frage eines Zuhörers: „Ich bin 51 Jahre alt. Werde ich in meiner Lebenszeit noch nutzbringende Hinweise aus der Studie erhalten, um etwas für meine Gesundheit tun zu können?“ Einhellige Antwort vom Podium: „Ja!“ Zwar gebe es zum jetzigen Zeitpunkt noch keine konkreten Ergebnisse, sagte Studien­leiter Stefan Blankenberg. „Aber wir werden in den nächsten Jahren ganz sicher bisher unbekannte Krankheitsmechanismen entschlüsseln.“

Dafür gaben die Ärzte an diesem Abend konkrete Tipps, was man nach bisherigem Wissensstand tun kann, um etwa nicht an Krebs zu erkranken: nicht rauchen, wenig Alkohol zu sich nehmen und Sport treiben beispielsweise. Auch eine pflanzenbetonte Kost könne womöglich dazu beitragen, das Krebsrisiko zu senken und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen, sagte die Ernährungswissenschaftlerin und Expertin für präventive Medizin, Privatdozentin Birgit-Christiane Zyriax. „Da gehen wir ja mit der UKE-Mensa mit gutem Beispiel voran – man wird satt“, kommentierte Moderator Johannes Wimmer und sorgte damit wieder für Heiterkeit.

Was ist mit Stress? „Das ist individuell sehr verschieden“, sagte der Psychologe und Mediziner Prof. Martin Härter. „Jeder hat seine eigene Verletzlichkeit.“ Auch hier gelte es, im Zuge der HCHS mehr über das Zusammenspiel etwa von Druck im Job und anderen Faktoren herauszufinden.

Therapien könnten bald präziser und schonender sein

Schon jetzt sei klar, dass bei medizinischen Untersuchungen grundsätzlich zu häufig bildgebende Verfahren wie das Röntgen eingesetzt werden, sagte der Radiologe Gerhard Adam. Ziel der HCHS sei es auch, mehr darüber herauszufinden, wie sich bildgebende Verfahren effizienter einsetzen ließen.

Wie wird die Medizin der Zukunft aussehen? Therapien könnten bald präziser und schonender sein und besser auf einzelne Patienten zugeschnitten werden, hieß es – wenn sich die Erwartungen an die HCHS erfüllten.