Berlin . Trump-Motte und Prinz-Charles-Frosch: Immer öfter werden auch neu entdeckte Pflanzenarten nach Persönlichkeiten benannt.

Prinz Charles ist Namenspate für einen seltenen Frosch aus Ecuador, nach Kanzlerin Angela Merkel ist eine Orchideenart in Singapur benannt, und Microsoft-Milliardär Bill Gates wird durch einen dicken Brummer von Schwebfliege unsterblich. Zuletzt schaffte es eine Mini-Motte weltweit in die Schlagzeilen: Weil deren goldene Schuppen auf dem Kopf ihn an die charakteristische Frisur des neuen amerikanischen Präsidenten erinnerte, verpasste ihr ein kanadischer Wissenschaftler den Namen „Neopalpa donaldtrumpi“ – eine wirkungsvolle, wenn auch zweifelhafte Ehre. Für beide Seiten.

Als Pate selbst einen Namen vergeben

In der Biologie gibt es einen seltsam anmutenden Trend: Immer häufiger werden neu entdeckte Arten nach Prominenten benannt. Für den Frankfurter Arachnologen Peter Jäger, der selbst Spinnen nach Udo Lindenberg, Loriot und Richard von Weizsäcker benannt hat, dient die Namensgebung einem hehren Ziel: „Es geht darum, Aufmerksamkeit zu gewinnen. Ich verknüpfe die Benennungen mit der Botschaft, dass weltweit Lebensräume und die Artenvielfalt bedroht sind.“

Bis heute sind etwa 1,8 Millionen Spezies erfasst

Jägers erfolgreichstes Beispiel ist die „David-Bowie-Spinne“. Als er die malaysische Riesenkrabbenspinne (Spannweite bis zu 30 Zentimeter!) nach dem britischen Sänger benannte, schaffte es die Art in den Medien in kürzester Zeit um die Welt. Sein Argument: Die gelblich-braune Riesenspinne tanze mit ihrem maskenhaften Gesicht aus der Reihe – so wie Bowie zu Lebzeiten auch. „Die Resonanz war überwältigend“, erinnert sich der Mitarbeiter des Frankfurter Senckenberg-Museums.

Der „Heteropoda davidbowie“ wurde eine eigene Sonderausstellung und ein Kunstprojekt gewidmet. Mehr als 230.000 Google-Hits zu Spitzenzeiten, Berichte in Hardrock- und Tattoo-Foren, die der Forscher sonst nie erreicht hätte – und immer verbunden mit der Nachricht, dass tropische Lebensräume bedroht sind und durch Palmölplantagen zerstört werden. „Hätte jemand zugehört, wenn die Art ‚Heteropoda flavescens‘ heißen würde?“, so Jäger.

Für viele Spezies wird es knapp

Nachahmer sind ausdrücklich erwünscht, ruft Jäger seine artenbeschreibenden Kollegen auf. Denn seiner Meinung nach „sedimentiert die Grundlagenforschung noch allzu oft in ihrem Elfenbeinturm vor sich hin“. Auch Umweltverbände begrüßen die Taktik. „Mit den prominenten Namen wird ein Bewusstsein für den Tier- und Naturschutz in der breiten Bevölkerung geweckt“, sagt WWF-Sprecher Roland Gramling.

Tatsache ist: Es gibt genug Tiere, die benannt werden müssen. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit beschreiben Tropenbiologen und Taxonomen bis zu 10.000 neue Arten im Jahr, hauptsächlich Pflanzen, Insekten, Spinnentiere, Amphibien. Bis heute sind etwa 1,8 Millionen Spezies erfasst. Nach Schätzung des WWF sind das nicht einmal zehn Prozent aller existierenden Tier- und Pflanzenarten. Es gibt also noch viel zu tun. Allerdings wird es für viele Spezies knapp, noch zu Lebzeiten im Katalog des Lebens registriert zu werden. Laut der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen (IUCN) sind etwa 30 Prozent aller untersuchten Arten vom Aussterben bedroht.

Akribische Recherche

Normalerweise werden die Unbekannten bei umfangreichen Forschungsexpeditionen entdeckt – etwa in Amazonas- oder Mekong-Regionen. Was für Laien wie eine Prüfung aus dem Dschungelcamp klingen mag, ist für Spinnenforscher Jäger Alltag. Mal durchsiebt er in Malawi das Laub nach winzigen Springschwänzen oder sammelt in den Höhlen Laos größere Spinnen aus Felsspalten – in der Nacht, wenn deren Augen leuchten. Tausende in Alkohol konservierte Krabbler überführen die Forscher dann in ihre Wirkungsstätten nach Deutschland.

Dort beginnt die „Fleißarbeit“: Die akribische Recherche darüber, ob die Art, die sie beschreiben wollen, tatsächlich noch unbeschrieben ist. Die Funde werden nach möglichen bestehenden Gattungen sortiert und etikettiert, ausgewählte Exemplare mit denen im „World Spider Catalogue“ verglichen, der bislang 46.000 Datensätze enthält. Tausende „unbestimmte“ Spinnen warten noch in Museumsschränken auf die Entdeckung eines Taxologen. Etwa 1000 Spinnenarten werden laut Jäger jedes Jahr nach einem komplizierten Klassifizierungsschema beschrieben. Veröffentlicht eine Fachzeitschrift das Ergebnis, gilt sie als neu entdeckt. Bei Jäger war das schon gut 300-mal der Fall. „Doch jedes Mal ist es wieder ein erhebender Moment“, sagt er.

Pferdebremse nach Beyoncé benannt

Für besondere Funde denkt sich der Frankfurter Forscher öffentlichkeitswirksame Namen aus. 14-mal hat er das schon getan. Weitere Namen sollen an das Problem der Überbevölkerung erinnern, wie Jäger sagt. Da gibt es die „Heteropoda zuviele“ oder die „Argiope dang“ (dang, laotisch für laut) oder die „Dendrolycosa yuka“ (yuka bedeutet in Zulu sinngemäß Bevölkerungswachstum stoppen).

Oder er widmet Neuentdeckungen Menschen, die sich für den Naturschutz engagieren oder engagierten, andere Achtbeiner bekommen Namen von Familie und Freunden. Auch wenn Vergleiche mit Schleimpilzen und Strudelwürmern oft nicht schmeichelhaft sind – eine Pferdebremse ist wegen ihrer Po-Form nach Sängerin Beyoncé benannt –, gefragt werden müssen die Namenspatronen nicht. „Wir haben da viel Freiheit“, sagt Jäger.

Nicht nur reine Namenslisten produzieren

Aber: An erster Stelle muss die Gattung stehen, an zweiter der Artname, beide müssen aus jeweils mindestens zwei Buchstaben bestehen, latinisiert und aussprechbar sein. Die Regeln gehen auf den schwedischen Naturforscher Carl von Linnés zurück, der Tiere, Pflanzen und Mineralien erstmals 1735 im „Systema Naturae“ kategorisierte. Eine besondere Bedeutung für die Zoologie hat der im Jahr 1758 veröffentlichte erste Band der 10. Auflage, in dem Linné erstmals durchgängig für die Tiere zweiteilige Artnamen angab.

250 Jahre später listet Peter Jäger in seinem „Arachno-Blog“ auf dem Internetportal des Senckenberg Museums seine bisher entdeckten Spinnen auf und erklärt, was er sich bei deren Namensgebung gedacht hat. „Ich denke, es lohnt sich, wenn Wissenschaftler nicht nur reine Namenslisten produzieren, sondern den Menschen zeigen wollen, dass die uns umgebende Natur es wert ist, vollständig beschrieben zu werden“, sagt er.