Berlin. Vor allem in Europa riskieren Frauen schwere Schäden bei ihrem Kind

Weltweit trinkt jede zehnte Frau während der Schwangerschaft Alkohol. In Europa betrifft das sogar jede vierte. Das ist das Ergebnis einer Meta-Analyse, über die Forscher jetzt im Fachmagazin „The Lancet Global Health“ berichten. Dafür werteten Svetlana Popova und ihre Kollegen vom Centre of Addiction und Mental Health in Toronto fast 400 Studien aus.

Einbezogen wurde jede Art von Alkoholkonsum, unabhängig von der Menge. Die Wissenschaftler rechneten nach Möglichkeit Frauen heraus, die nicht wussten, dass sie schwanger sind. Maßgeblich für die Analyse war auch, wie häufig das Trinken während der Schwangerschaft zu schwerwiegenden Gesundheitsschäden beim Baby führte.

Alkohol passiert die Plazenta uneingeschränkt, die Konzentration steigt ebenso wie die im Blut der Mutter – allerdings brauchen Ungeborene deutlich länger, um den Alkohol abzubauen. Die Folgen reichen von Frühgeburten bis zu geistigen und körperlichen Behinderungen der Kinder. Im schlimmsten Fall kommt es zu einem Fetalen Alkoholsyndrom (FASD) mit irreparabler Schädigung des zentralen Nervensystems. „Wir schätzen, dass eine unter 67 Müttern, die in der Schwangerschaft trinken, ein Kind mit Fetalem Alkoholsyndrom zur Welt bringt“, sagt Popova.

Für Prof. Hans-Ludwig Spohr, FASD-Experte an der Berliner Charité, ist das nur die Spitze des Eisbergs. Das Syndrom sei schwer feststellbar. Eine weitaus größere Gruppe Kinder weise aber typische Verhaltensstörungen auf. Spohr glaubt auch, dass eine signifikante Anzahl von Müttern ihren Alkoholkonsum verheimlicht – so bleiben die Ursachen für die Beeinträchtigungen ihrer Kinder im Dunkeln. Eine gesicherte Grenze, bis zu der Alkohol für das ungeborene Kind unproblematisch ist, gibt es nicht. Mediziner wie Spohr raten eindringlich zur „Null-Option“.

Weltweit ist der Alkoholkonsum von Schwangeren unterschiedlich stark ausgeprägt. Laut der Meta-Analyse sind Länder mit dem höchsten Anteil Alkohol trinkender Schwangerer Irland (60 Prozent), Weißrussland (47 Prozent), Dänemark (46 Prozent), Großbritannien (41 Prozent) und Russland, wo im Schnitt 37 von hundert Frauen während der Schwangerschaft mindestens einmal Alkohol trinken. Alle diese Staaten gehören zur WHO-Region Europa, wo die durchschnittliche Häufigkeit bei 25,2 Prozent liegt. Wenig überraschend: Auf der arabischen Halbinsel trinken Schwangere am seltensten Alkohol – die Häufigkeit liegt nahe null.