Hamburg. In der UKE-Studie mit 45.000 Hamburgern wird auch geprüft, wie sich Lebensbedingungen am Wohnort auf die Seele auswirken.

Welche Lebensbedingungen erhöhen das Risiko für eine Depression? Welche schützen davor? Wer wird gesund alt und wer nicht? Diesen Fragen gehen Psychiater und Psychosomatik-Experten des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) in der Hamburg City Health Studie (HCHS) nach. In dieser Studie, die kürzlich am UKE startete, sollen 45.000 Einwohner regelmäßig untersucht werden. Ziel ist es, bisher unbekannte Risikofaktoren für große Volkskrankheiten zu identifizieren. Dabei wird auch untersucht, ob jemand Anzeichen einer Depressionhat und wie er den Alterungsprozess bewältigt.

In Fragebögen sollen die Studienteilnehmer Angaben zu ihrem Befinden machen, zu ihrer Stimmung und ihren Ängsten. „Aus den Antworten können wir ablesen, ob möglicherweise eine Depression besteht“, sagt Prof. Jürgen Gallinat, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Es werden auch Fragen gestellt nach familiären Beziehungen, Anzahl der Kinder, freundschaftlichen Kontakten und Kontakten in sozialen Netzwerken, um mögliche Zusammenhänge zu entdecken.

„Die Frage ist, ob die psychosoziale Umgebung Einfluss auf die Entwicklung von Depressionen und auf das psychische Wohlbefinden im Alter hat“, sagt Gallinat. Daten über öffentliche Grünflächen, Lärmbelastung und Umweltverschmutzung am Wohnort werden mit den Daten der Studienteilnehmer zusammengeführt. „Damit können wir dann herausfinden, ob sich auch Lebensbedingungen dieser Art auf die Psyche auswirken.“

Frauen haben ein höheres Risiko als Männer

Bisher bekannte Risikofaktoren für eine Depression sind Alter, Leben in einer komplexen Stadtstruktur, schwierige Lebenssituationen mit scheinbarer Ausweglosigkeit, Schicksalsschläge wie Verlust von nahestehenden Menschen, Arbeit, Wohnung, bestimmte Medikamente, Alkohol- und Drogenabhängigkeit, grüblerischer Denkstil, Neigung zu Ängstlichkeit. Frauen haben ein höheres Risiko als Männer. Außerdem spielt auch eine Rolle, wie man mit Belastungen umgeht. „Wer zum Beispiel lange mit einem belastenden Lebensereignis wie beispielsweise einer Kündigung hadert, hat ein höheres Depressionsrisiko als jemand, der seinen Frieden damit macht“, sagt Gallinat. Menschen, die offen für soziale Kontakte und Hilfsangebote aus der Umgebung sind, sind weniger gefährdet als diejenigen, die alles mit sich allein ausmachen und keine Hilfe annehmen.

In der Psychosomatik geht es in der HCH-Studie vor allem um zwei Fragen: Welche Faktoren bestimmen die Art und Weise, wie wir körperliche Symptome einer Erkrankung wahrnehmen? Welche Menschen werden gesund alt und welche nicht?

„Darüber, wie wir Symptome erleben, entscheiden nicht nur die Krankheiten, sondern zum Beispiel auch Lernerfahrungen, kulturelle Faktoren und psychische Traumatisierungen in der frühen Kindheit“, sagt Prof. Bernd Löwe, Direktor der Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am UKE und Chefarzt der Abteilung für Psychosomatik in der Schön Klinik Hamburg Eilbek. Um diese Fragen zu klären, wird das Ausmaß körperlicher Symptome über Fragebögen abgefragt und mit den Befunden der körperlichen Untersuchungen, aber auch mit den in den Fragebögen genannten Lebenserfahrungen, Belastungsfaktoren, dem sozialen und kulturellen Umfeld in Zusammenhang gebracht.

Auch auf Basis der ausgefüllten Fragebögen und der körperlichen Untersuchungsbefunde wird die Frage des gesunden Alterns untersucht. Da sich aber mit zunehmendem Alter auch immer mehr gesundheitliche Beschwerden einstellen, ist die Frage: Was ist gesundes Altern? „ Wir definieren es als die Abwesenheit von schweren Erkrankungen wie Herzleiden, Krebs, neurologischen Störungen und Diabetes oder das Fehlen von Funktionseinschränkungen“, sagt Löwe. Dabei spielt auch der Begriff der Resilienz eine wichtige Rolle. Damit gemeint ist die Eigenschaft von Menschen, mit Stress und belastenden Ereignisse gut umgehen zu können. Dabei helfen gute soziale Kontakte und individuelle Bewältigungsstrategien. „Wir wollen jetzt untersuchen, ob diese Menschen auch gesünder altern“, sagt Löwe. Auf der anderen Seite gehen die Wissenschaftler der Frage nach, ob Menschen, die schon in ihrer Kindheit psychische Traumatisierungen erleben oder schwere Krankheiten durchmachen mussten, auch im Alter früher krank werden.